Der Tod eines Vierjährigen soll mehr als 30 Jahre nach dem Verbrechen gesühnt werden. Für das Hanauer Landgericht steht nach einem fast einjährigen Verfahren die Schuld einer 73-Jährigen fest.

Hanau - Eine mutmaßliche Sekten-Chefin ist vom Hanauer Landgericht mehr als 30 Jahre nach dem Tod eines Vierjährigen wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Das Gericht sah in seinem Urteil am Donnerstag den Mordvorwurf als erwiesen an. „Es gruselt einen, was um Sie und Ihre Gemeinschaft passiert ist“, sagte der Vorsitzende Richter Peter Graßmück. „So etwas haben wir noch nicht erlebt.“

 

Das Gericht folgte damit dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Die Anklage warf der 73-Jährigen vor dem Hanauer Landgericht Mord durch Unterlassen an dem damals Vierjährigem vor und forderte eine lebenslange Haftstrafe. Die Verteidigung plädierte in dem Verfahren auf Freispruch. Sie sieht eine „Hetzkampagne angeblicher Sekten-Aussteiger“.

Die Angeklagte soll im August 1988 den Jungen in einen Leinensack eingeschnürt und in ein Badezimmer gelegt haben. Das Kind soll ohnmächtig geworden und an seinem Erbrochenem erstickt sein. Ermittler hielten den Tod des Jungen lange Jahre für einen Unfall. Erst 2015 wurde der Fall nach Hinweisen von Aussteigern wieder aufgerollt.

Seelische Grausamkeit, Gehirnwäsche und Gewalt in der Sekte

Als Motiv sieht die Staatsanwaltschaft, dass die 73-Jährige durch den Tod des Jungen ihre Machtposition stärken wollte. Sie habe das Kind als „vom Bösen besessen“ bezeichnet. Nach dem Tod habe sie die Eingebung vorgetäuscht, dass Gott das Kind geholt habe - der Junge sei die Wiedergeburt Hitlers gewesen.

Zeugen berichteten in dem seit Oktober laufenden Verfahren vom strengen Regiment der 73-Jährigen sowie von den Leiden des Jungen und auch anderer Kinder. Wegbegleiter und Aussteiger berichteten von seelischen Grausamkeiten, Gehirnwäsche, psychischer und physischer Gewalt in der Hanauer Gruppe.

Rückendeckung bekam sie von der Mutter des toten Jungen. Sie gab an, dass die angeklagte frühere Krankenschwester liebevoll mit den Kindern umgegangen sei. „Sie ist wie eine Schwester und gute Freundin für mich“, sagte die Zeugin in dem Prozess. Die Angeklagte konnte nur wegen Mordes verurteilt werden - alle anderen Straftatbestände wären verjährt gewesen.