Er war Pädagoge und wusste, was er seinem Opfer antat. Und trotzdem missbrauchte ein Heilbronner Erzieher einen Jungen über mehrere Jahre schwer. Jetzt muss der Mann fünf Jahre ins Gefängnis.

Heilbronn - Der ehemalige Leiter eines evangelischen Kindergartens in Heilbronn ist am Freitag vor allem wegen sexuellen Missbrauchs zu fünf Jahren Haft verurteilt worden. Das Gericht hielt die Schuld des Angeklagten in insgesamt 19 Fällen - in drei Fällen in Tateinheit mit Vergewaltigung - und wegen des Besitzes und der Verbreitung von kinderpornografischem Material für erwiesen. Laut der Vorsitzenden Richterin am Landgericht Heilbronn, Eva Bezold, missbrauchte der 31-jährige Erzieher einen 2005 geborenen Jungen mehrfach schwer. (AZ 2KLs 32 Js 7465/18)

 

Die Staatsanwaltschaft hatte am Donnerstag in einer nichtöffentlichen Sitzung eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten gefordert, die Verteidigung plädierte für vier Jahre Haft. Die Vertretung des Opfers, das als Nebenkläger auftritt, forderte sechs Jahre und sechs Monate, wie ein Sprecher des Gerichts mitteilte. Der Angeklagte hatte im Verlauf des Prozesses ein Geständnis abgelegt.

Sozial engagiert und mit pädagogischen Preisen ausgezeichnet

„Er war sozial engagiert, leitete Jungscharen und wurde für seine pädagogische Arbeit von Ministerien ausgezeichnet: Was niemand wusste: Er war pädophil“, sagte die Richterin.

Von 2012 bis 2018 hatte der langjährige Erzieher der evangelischen Gesamtkirchengemeinde Heilbronn, der zuletzt Kindergartenleiter war, ein Kind aus seinem Bekanntenkreis zunächst oral missbraucht und sich später auch von dem Jungen oral befriedigen lassen. Teilweise dokumentierte er die Taten auf Videos. Anfangs schlief das Kind dabei, wachte auch von den Manipulationen nicht auf, was das Gericht als Vergewaltigung beurteilte.

Als strafmildernd wertete das Gericht, dass man ohne die Mithilfe des Angeklagten nicht auf den Namen des Opfers gekommen wäre und der Täter mehrere Missbrauchsfälle gestand, die auch nach Aussage des Opfers nicht bekanntgeworden wären. Laut Richterin Bezold müsse man allerdings davon ausgehen, dass der Erzieher den Jungen noch viel mehr als 19 Mal - nämlich „an die hundert Mal“ sexuell missbrauchte. Auch von zwei anderen schlafenden Jungen im frühen Grundschulalter fotografierte er die Genitalien, als diese auf einer kirchlichen Freizeit in einem Heilbronner Gemeindehaus übernachteten.

Anfang 2016 geriet der Heilbronner ins Visier der Behörden. Er hatte der verdeckt im Internet ermittelnden Kriminalpolizei in Hannover zwölf Kinderporno-Bilder angeboten. Im Mai 2016 wurde die Wohnung des Pädagogen durchsucht und kinderpornografisches Material gefunden. Doch erst zwei Jahre später wurde er von seiner Arbeit als Kindergartenleiter freigestellt.

Information über Ermittlungen wurde spät kommuniziert

Denn erst ein Jahr später, im Sommer 2017, hat die Polizei nach eigener Aussage die Kirchenpflege Heilbronn, und damit den Arbeitgeber des damaligen Kindergartenleiters, über die Ermittlungen informiert. Warum der Kirchenpfleger diese Information nicht weitergab und der Erzieher erst im Januar 2018 vom Dienst freigestellt wurde, werde derzeit in einem innerkirchlichen Disziplinarverfahren geklärt, sagte der Heilbronner Schuldekan und Leiter des Kirchlichen Krisenteams, Jürgen Heuschele.

Laut Heuschele habe der Prozess gezeigt, dass es im Wilhelm-Busch-Kindergarten, in dem der Verurteilte Leiter war, keine Fälle von sexuellem Missbrauch gab. Deshalb urteilte das Gericht auch, dass ein Berufsverbot gegen den Erzieher nicht verhängt werden kann. Dennoch sei das Vertrauen der Kindergarteneltern stark erschüttert worden. Einige hätten ihre Kinder abgemeldet. In den zurückliegenden Wochen ist dem Schuldekan zufolge ein Schutzkonzept entwickelt worden, das unter anderem deutlicher klärt, an welche Fachkräfte man sich bei Verdachtsfällen wenden kann und welche weiteren Benachrichtigungspflichten es gibt.

Schmerzensgeld für Opfer

Verteidiger Thomas Amann erklärte, dass der Verurteilte am Donnerstag rechtsverbindlich erklärt habe, 20.000 Euro Schmerzensgeld an sein Opfer zu bezahlen, um allen Beteiligten die Fortführung eines Prozesses zu ersparen. Für die anwaltliche Vertreterin des Opfers, Meike Pirkner, ist die Verurteilung des Kindergartenleiters zu fünf Jahren „ein Mindesturteil“. „Viel wichtiger als die Höhe des Strafmaßes ist die Aufarbeitung des Geschehenen“, sagte sie.