Ein Junge stirbt an Unterversorgung. Anderthalb Jahre nach der Tragödie werfen Verwandte dem Jugendamt der Stadt Versäumnisse vor.  

Mannheim - Anfang Februar muss sich eine 30-jährige Frau vor dem Mannheimer Landgericht wegen des Todes ihres Sohnes verantworten. Der damals neunjährige Junge, der an einer unheilbaren Erbkrankheit litt und schwerbehindert und pflegebedürftig war, war Ende Mai 2010 im Klinikum Mannheim gestorben. Bei der Einweisung durch einen Amtsarzt Anfang April hatte das Kind nur noch 14 Kilo gewogen, es hatte große Druckstellen und konnte nicht mehr sprechen.

 

Die Staatsanwaltschaft wirft der Mutter, die noch zwei weitere Kinder hat und von Harz IV lebt, Vernachlässigung und Misshandlung des schwerkranken Sohnes vor. Sie habe das Kind nicht ausreichend versorgt und den Straftatbestand des Totschlags durch Unterlassung erfüllt. Ein Motiv dafür sei bisher nicht gefunden worden, erklärte ein Sprecher der Behörde.

Nach den Ermittlungen hatten die Ärzte bei dem bis dahin gesunden Kind, das im Frühjahr 2001 geboren worden war, 2008 die Erbkrankheit Adrenoleukodystrophie diagnostiziert; sie erklärten, es sei schon bald mit dem Verlust lebenswichtiger Körperfunktionen zu rechnen, das Kind werde wohl nur noch drei Jahre zu leben haben.

Wie viel Schuld hat das Jugendamt?

2009, als der Bub schon künstlich ernährt werden musste und einen Rollstuhl brauchte, verließ der Vater die Familie und ließ die Mutter mit drei Kindern allein. Das Amt schritt jedoch erst 2010 ein, nachdem eine Urgroßmutter offizielle Stellen auf die Probleme hingewiesen hatte. Im Vorfeld des Prozesses hat nun die Lokalzeitung "Mannheimer Morgen" auch dem Jugendamt der Stadt schwere Versäumnisse in dem Fall vorgeworfen.

Unter Berufung auf Angehörige meldete das Blatt, das Amt habe sich viel zu spät um die Mutter und ihr Kind gekümmert. Zusätzliche Brisanz gewinnen die Vorwürfe auch dadurch, dass für das Amt damals als Bürgermeisterin die heutige Kultusministerin Gabriele Warminski-Leitheußer (SPD) zuständig war.

In einer schriftlichen Stellungnahme erklärte die Stadt Mannheim am späten Donnerstagnachmittag, man sei betroffen von dem Fall. Es seien aber "alle Verfahren eingehalten worden". Seit Juli 2009 sei die Familie zweimal wöchentlich von der sozialpädagogischen Familienhilfe betreut worden. Eine Unterbringung des Kindes in einem Hospiz habe die Mutter abgelehnt. Den Mitarbeitern des Jugendamts könne hier "kein Vorwurf gemacht werden".