Der ehemalige Chef der gemeinnützigen Stuttgarter Stiftung Nestwerk hat vor dem Landgericht gestanden, sich massiv am Stiftungsgeld bedient zu haben.

Stuttgart - Er taktiert nicht, er hält nicht hinterm Berg. Immer wieder sagt der 70 Jahre alte Angeklagte, als ihm die schweren Vorwürfe von der 6. Strafkammer des Landgerichts vorgehalten werden: „Das stimmt.“ Er sagt auch, er wolle sich bei all denen entschuldigen, die Schaden erlitten hätten. „Es tut mir aufrichtig leid.“ Erst bei der Aufarbeitung mit seiner Psychotherapeutin sei ihm der Umfang seines Tuns bewusst geworden. „Es war eine Art Größenwahn“, so der ehemalige hauptamtliche Vorstand der gemeinnützigen Stiftung Nestwerk, die 1994 angetreten war, um Wohnraum für die Bedürftigsten in Stuttgart zu schaffen.

 

„Die Rechnung ging von Anfang an nicht auf“, sagt der gebürtige Mannheimer. Nur in wenigen Ausnahmefällen habe die Stiftung für geplante Bau- und Sanierungsvorhaben das notwendige Eigenkapital gehabt, um Kredite und Fördergelder zu bekommen. Er wolle aber nicht von seiner Schuld ablenken, so der Angeklagte. Ja, er habe beispielsweise zwischen 2007 und 2010 mit rund 100 Schecks mehr als 650 000 Euro vom Stiftungskonto abgehoben. Die notwendigen Belege habe er gefälscht. Damit hatte er die Hochzeit seines Sohns bezahlt, die Tagespflege seiner Mutter, Gärtnerrechnungen, die Miete für seine Wohnung, alte Steuerschulden und etliche andere private Verbindlichkeiten.

Münzgeld aus Waschautomaten kassiert

Darüber hinaus stattete der Ex-Vorstand sich, seine Frau und seinen Sohn – alle drei waren fest bei der Stiftung angestellt – mit Autos aus. Er ging sogar so weit, das Münzgeld aus den in den Nestwerk-Wohnheimen aufgestellten Waschautomaten zu plündern. Er sei mit jeweils einem Sack oder mit einem Eimer voll Münzgeld zur Bank gegangen und habe das Geld aufs gemeinsame Ehekonto einbezahlt – 14 300 Euro.

Bereits 2008, so Staatsanwalt Andreas Köhler, seien die Stiftung und deren Tochtergesellschaft insolvent gewesen. Der Angeklagte habe das Fortbestehen der Stiftung nur durch strafbare Handlungen bewerkstelligen können. Also fälschte er unter anderem die Unterschrift der damaligen Sozialbürgermeisterin Gabriele Müller-Trimbusch, die auch Vorsitzende des Stiftungskuratoriums war, um der Bank einen angeblichen Mietvertrag mit der Stadt Stuttgart als Sicherheit vorlegen zu können. So erschwindelte er summa summarum 9,2 Millionen Euro an Darlehen für die Stiftung. Müller-Trimbusch ist als Zeugin geladen.

Weiterer Ex-Angeschuldigter ist dauerhaft krank

Dem 70-Jährigen, der inzwischen Privatinsolvenz angemeldet hat, werden Untreue, Betrug, Urkundenfälschung, Insolvenzverschleppung und Bankrott vorgeworfen. Die Stadt Stuttgart will 4,6 Millionen Euro von ihm. Zum Bedauern vieler wird der ehrenamtliche Vorstand der Stiftung nicht auf der Anklagebank Platz nehmen. Bei angemessener Überwachung hätte der Betrug verhindert werden können, so die Staatsanwaltschaft damals. Doch der ehrenamtliche Vorstand sei krank und somit nicht verhandlungsfähig. Der Prozess wird am 21. November fortgesetzt.