In Stuttgart steht ein 35-Jähriger vor Gericht, weil er seinen Mitbewohner mit einem Bajonett verletzt haben soll. Er bestreitet jede Tötungsabsicht.

Stuttgart - Mehrere Arbeiter verschiedener Nationalitäten wohnen unter einem Dach. Der Alkohol fließt regelmäßig – auch im Übermaß. Es kommt zum Streit, es fließt Blut, am Ende landet ein Bewohner in der Klinik, der mutmaßliche Täter erst in U-Haft und jetzt auf der Anklagebank. Der Vorwurf von Staatsanwalt Andreas Kienle: versuchter Totschlag und gefährliche Körperverletzung.

 

Auf der Anklagebank vor der 1. Schwurgerichtskammer des Landgerichts sitzt ein 35-jähriger Mann mit deutschem und polnischem Pass. Der zweifache Vater ist erst im Sommer vorigen Jahres nach Stuttgart gekommen, um hier zu arbeiten. Seine Frau und seine Kinder leben in Polen. Der Mann hatte eine Anstellung als Fahrer auf dem Bau gefunden und eine Unterkunft an der Rüdernerstraße in Obertürkheim bezogen. Diese Wohnung, in der er mit drei Kollegen wohnt, ist der Tatort. Was sich dort genau am frühen Morgen des 11. November 2018 abgespielt hat, soll der Schwurgerichtsprozess klären. Die Richterinnen und Richter scheinen Glück zu haben. Es soll unbeteiligte Zeugen geben.

Klaffende Schnittwunden

Gegen 5.30 Uhr an besagtem Morgen soll der Angeklagte in alkoholisiertem Zustand in das Zimmer seines Mitbewohners gekommen sein. Dort habe der 35-Jährige das Opfer mit einem Bajonett angegriffen. Weil sich der Mitbewohner wehrte, sei er nicht am Oberkörper getroffen worden, obwohl der Angeklagte dorthin gezielt habe. Am Ende der Attacke hatte das Opfer mehrere klaffende Schnittverletzung an den Armen davongetragen.

Der Deutsch-Pole sagt, er habe dem Mitbewohner mit der Waffe, die er Messer nennt, nur Angst einjagen wollen. „Ich bin doch nicht zu ihm gegangen, um ihn zu töten“, beteuert der 35-Jährige. Das Bajonett habe er als Drohmittel gebraucht, weil das Opfer größer und stärker als er sei. Außerdem habe sein Mitbewohner früher einmal damit geprahlt, dass er schon sechs Jahre im Gefängnis gesessen habe. „Ich dachte, wenn er das Messer sieht, gibt er mir mein Geld zurück“, sagt der Angeklagte.

Das Opfer soll gestohlen haben

Es soll also ums Geld gegangen sein. Der 35-Jährige sagt, sein Mitbewohner habe ihn bestohlen. „Er hat seinen Verdienst im Casino verspielt. Und dann hat er mein Geld gestohlen.“ Das habe er des nachts bemerkt und sei deshalb ins Zimmer des Opfers gegangen – mit dem Bajonett. Dort habe ihn der Mitbewohner angegriffen und ins Messer gegriffen. Die Verletzungen müsse er sich beim Gerangel zugezogen haben. „Als ich das Blut gesehen habe, habe ich das Messer sofort den anderen Mitbewohnern gegeben“, sagt der Mann. Die hätten alles gesehen.

Der Angeklagte hatte seit 2003 zuerst in den Niederlanden gearbeitet und sei wochenweise zu seiner Familie nach Polen gefahren. Seine Drogenkarriere habe er hinter sich, sein Alkoholkonsum sei aber immer schlimmer geworden. Der Prozess geht am 2. Mai weiter.