Ein 48-jähriger Mann soll seine schlafende Freundin mit einem Messer schwer verletzt haben. Das Opfer will nicht, dass er bestraft wird.

Stuttgart - Diesen Satz müssen die Prozessbeteiligten erst einmal verdauen. „Früher mochte ich meinen Körper. Jetzt hasse ich ihn“, sagt die zierliche Frau im Zeugenstand vor der 9. Schwurgerichtskammer des Landgerichts. Die 56-Jährige soll von ihrem Freund mit einem Messer schwer verletzt worden sein. Operationen waren notwendig, Narben sind geblieben. Dem mutmaßlichen Täter wird versuchter Totschlag und gefährliche Körperverletzung vorgeworfen.

 

Die Tat hat sich am Abend des 16. Januar dieses Jahres in der Wohnung der Frau in Botnang zugetragen. Die Frau kann allerdings so gut wie nichts zur Aufklärung beitragen. Sie habe eine halbe Flasche Wodka sowie eine Flasche Wein getrunken und sei dann auf dem Sofa eingeschlafen, sagt sie. „Plötzlich war er da und hat mich gestochen“, lautete ihre Aussage bei der Polizei. Vor der 9. Strafkammer will sie sich nicht mehr an den folgenreichen Abend erinnern. „Ich habe keine Ahnung“, sagt sie aus. Der 48-jährige Angeklagte habe sich gewaltsam Zutritt zu der Wohnung seiner Freundin verschafft, trägt der Staatsanwalt vor. Mit einem Klappmesser habe der Mann „vielfach und wuchtig“ auf die schlafende Frau eingestochen.

Er traf sie am Oberarm, am Oberschenkel und in die Flanke. Ihr Dickdarm wurde verletzt und musste operativ entfernt werden. Der Angeklagte habe nicht versucht Hilfe zu holen. „Es war ihm gleichgültig, ob das Opfer stirbt“, sagt der Ankläger. Bei der Tat hatte der 48-Jährige knapp drei Promille Alkohol im Blut.

Vielfach und wuchtig zugestochen

Das Paar hatte sich vor mehreren Jahren im Bürgerhospital kennengelernt. Die Beziehung sollte eine unselige werden. „Chaotisch“ nennt der Angeklagte, der 1999 aus Portugal nach Deutschland gekommen war, das Zusammensein mit der gebürtigen Jamaikanerin. Sie sei sehr eifersüchtig und werde schnell aggressiv. Und beide sprechen im Unmaß dem Alkohol zu, der Mann bereits seit er 13 Jahre alt ist. In Stuttgart wurde er mehrmals zur Entgiftung gebracht – mit mehr als fünf Promille.

Die Frau sieht den Grund für die Streitereien, bei denen sich das Paar immer wieder gegenseitig verletzte, im Alkohol und in beider Temperament. In regelmäßigen Abständen musste die Polizei in der Wohnung der Frau in Botnang vorstellig werden, um zu schlichten. Das ging so weit, dass der Angeklagte in der Wohnanlage Hausverbot bekam. Er kam trotzdem – heimlich.

Aber auch die Frau sorgte für Ärger. Sie bekam ihrerseits Hausverbot in der Sozialpension in Untertürkheim, in der der Mann ein Zimmer bewohnte.

Vom Vater und Onkel vergewaltigt

Sowohl der Mann wie auch die Frau blicken auf ein tristes Leben zurück. Er hat in Portugal im Alter von 13 Jahren begonnen, auf Baustellen zu arbeiten – und zu trinken. Er schaffte zwar später eine Kochausbildung, kam aber über Gelegenheits- und Kurzjobs nicht hinaus. In Deutschland lebte er in Männerwohnheimen oder auf der Straße. Neben Alkohol konsumierte er Kokain, Heroin und Medikamente. Mit dem Kiffen habe er nach der ersten Psychose aufgehört, sagt der 48-Jährige.

Die Jamaikanerin berichtet, sie sei in der Heimat vom Vater und vom Onkel vergewaltigt worden. Weil ihre Mutter sie zudem als hässlich beschimpft habe, sei sie nach Kingston gegangen, wo sie auf der Straße gelebt habe. Später, als Friseurin, habe sie einen Deutschen kennengelernt, den sie in München geheiratet habe. Die Ehe hielt nicht.

„Ich habe sie nicht totstechen wollen, ich liebe sie doch“, lässt der Angeklagte seinen Verteidiger Werner Haimayer vortragen. Sein Mandant könne sich wegen des Alkohol aber nicht an die Tat erinnern, so der Verteidiger.

Die Frau sagt, sie habe dem 48-Jährigen vergeben. Er sei kein schlechter Mensch. Das Gericht solle ihn nicht ins Gefängnis stecken. „Das schafft er nicht“, sagt sie. Warum der Mann letztlich zum Messer gegriffen hat, bleibt völlig unklar. Der Prozess wird am 12. September fortgesetzt.