Nach 14 Anklagen, darunter Körperverletzung und Beleidigung, zeigt ein Mann, der zuletzt in einer Flüchtlingsunterkunft in Winnenden gelebt hat, Reue vor Gericht. Ein Detail könnte den Prozess unerwartet beeinflussen.
Als der Angeklagte in den Gerichtssaal geführt wird, nickt er den Prozessbeteiligten freundlich zu. Insgesamt wirkt er sehr gut orientiert und spricht gutes Deutsch – allerdings spricht er den Vorsitzenden Richter Volker Peterke immer wieder mit „Sir“ an. In der zweiten Jahreshälfte 2023 war er aber offenbar nicht immer in so r aufgeräumter Verfassung.
Die Staatsanwaltschaft hat den Mann, der lange Zeit in einer Flüchtlingsunterkunft in Winnenden lebte, wegen insgesamt 14 Taten in diesem Zeitraum vor dem Landgericht Stuttgart angeklagt – von Beleidigung über Körperverletzung bis zur Bedrohung und sexuellen Belästigung. Derzeit ist er vorläufig im Zentrum für Psychiatrie in der Weissenau untergebracht.
Fünf weitere Beleidigungen seien im September erfolgt
Im Juni 2023 soll er eine Frau in einem Zug als „Bitch und Königin der Huren“ beleidigt haben, im Juli auf einen Mitbewohner im Flüchtlingsheim mit einem Messer eingestochen und ihn leicht an Auge, Unterarm und Ohr verletzt haben. Im August hat er laut Anklage am Bahnhof Esslingen ein zwölfjähriges Mädchen an der Schulter gepackt und ihr gesagt, dass sie „wunderschön“ sei und „die Auserwählte“. Kurz darauf soll er in einem Discounter in Esslingen ein Hemd und Socken im Wert von knapp 43 Euro gestohlen haben. Fünf weitere Beleidigungen seien im September erfolgt: Erst soll eine Mitbewohnerin als „Schlampe und Fotze“ bezeichnet haben und ihr Schläge und den Tod angedroht haben. Zu einer anderen Frau in Winnenden habe er gesagt, „Du dreckige Hure, was kostest du?“. Einen Mann in Winnenden soll er als „Arschloch“ und „Sklave“ tituliert haben. In der S-Bahn habe er einen Mann als „Motherfucker“ bezeichnet. Im Hof der Flüchtlingsunterkunft soll er zu einem Mitbewohner gesagt haben „Verpiss dich aus Deutschland, ich werde dich töten“.
Der Angeklagte hat zwischendurch auf der Straße gelebt
Handgreiflich soll er mehrfach im Oktober geworden sein: Einem Mann in der Fußgängerzone habe er einen Wanderstock auf das Knie geschlagen, einem Mitbewohner einen Bambusstock gegen den Bauch. Diesen soll er zudem an der Schulter gepackt und gedrückt, kurz darauf sogar mit dem Tod bedroht haben. Einen Passanten soll er in der Fußgängerzone in die Rippen geschlagen haben. Zuletzt soll er im Dezember 2023 einer Frau im Aufenthaltsraum des Zentrums für Psychiatrie in Winnenden von hinten an die Brust gefasst haben.
Der Angeklagte erklärte, er sei mit 16 Jahren mit seinem wohlhabenden Onkel aus seinem Heimatland nach Frankreich ausgewandert, dieser habe ihn jedoch bald aus der gemeinsamen Wohnung geworfen. Danach habe er drei Jahre bei seiner Ex-Freundin gelebt und mit dieser zwei Kinder bekommen. Die Beziehung sei jedoch nach drei Jahren gescheitert, dann habe er auf der Straße gelebt. Über Belgien sei er vor rund zehn Jahren nach Deutschland gekommen und habe im Rems-Murr-Kreis in Flüchtlingsunterkünften gelebt. Derzeit werde er hier geduldet.
Der Richter zeigt sich vom Auftreten des Mannes beeindruckt
Sein großes Problem sei sein Marihuanakonsum. „Ich habe damit angefangen, als ich 16 Jahre alt war, es hat mein Leben ruiniert“, sagte der Angeklagte. Vor ein paar Monaten habe er jedoch aufgehört, als ihm bewusst geworden sei, dass der Stoff sein Leben zerstöre. Richter Peterke zeigte sich vom Auftreten des Mannes beeindruckt, die medikamentöse Einstellung, die er derzeit habe, scheine gut zu wirken. „Ich kann mir vorstellen, dass wir Sie auf Bewährung im Zentrum für Psychiatrie unterbringen, wenn Sie versprechen, die Medikamente regelmäßig zu nehmen“, stellte er in Aussicht.
Der Prozess wird am 17. Februar fortgesetzt, das Urteil soll am 6. März verkündet werden.