Das Landgericht Stuttgart hat mit seinem Urteil im Fall der zerstückelten Frauenleiche für eine Überraschung gesorgt. Der Angeklagte sei kein Totschläger, so die Richter.

Stuttgart/Esslingen - Sechs Jahre Gefängnis wegen Körperverletzung mit Todesfolge – so lautet das Urteil der 9. Strafkammer des Landgerichts in dem Aufsehen erregenden Fall der zerstückelten Frauenleiche, die im Oktober vorigen Jahres aus dem Neckar geborgen worden war. Dem 76 Jahre alten Freund des 72-jährigen Opfers sei kein Tötungsvorsatz nachzuweisen, so Jörg Geiger, Vorsitzender Richter der 9. Kammer. Deshalb liege kein Totschlag und schon gar kein Mord vor.

 

Der Oberstaatsanwalt hatte zehn Jahre Gefängnis wegen Totschlags, die Verteidigerin einen Freispruch beantragt. Für Margrete Haimayer, Anwältin des Angeklagten, ist dieses Urteil ein Teilerfolg. „Wir werden Revision einlegen“, so die Verteidigerin.

Die Hintergründe bleiben unklar

Letztlich war es trotz eines aufwendigen Beweisprogramms nicht gelungen, die Hintergründe oder den Tathergang zu klären. Zentrale Fragen blieben unbeantwortet. Warum fand die 72-jährige Frau, die mit ihrem Partner an der Uhlbacher Straße in Obertürkheim wohnte, den Tod? Und wie wurde sie getötet? Was war die Todesursache? Trotzdem ist die Kammer von der Schuld des Angeklagten überzeugt. „Es bleibt nur er als Täter übrig“, so der Richter.

Das Paar hatte sich im April 2017 kennengelernt. Die Frau verheimlichte ihrem Obertürkheimer Freund ihre neue Liaison. Und der 76-Jährige log seiner neuen Flamme vor, er sei Arzt, habe bereits Millionen für mildtätige Zwecke gespendet, erzählte von Sportwagen und einem Haus. Mit der Wahrheit nahmen es beide offensichtlich nicht so genau. „Sie war wohlhabend, hat sich vor anderen aber arm gemacht“, sagt Richter Geiger. Er sei „arm wie eine Kirchenmaus“, habe sich aber als reich dargestellt.

Angeklagter beteuert seine Unschuld

Am Abend des 26. September 2017 verliert sich die Spur der 72-Jährigen. Morgens war sie noch in der Arztpraxis in Degerloch, wo sie zeitweise ausgeholfen hatte, später hielt sie sich in der Wohnung in Obertürkheim auf. Danach – nichts mehr. Keine Handygespräche, niemand außer dem Angeklagten hat sie mehr gesehen. Der 76-Jährige hat ausgesagt, die Frau habe den Abend mit ihm in seiner Wohnung in Esslingen-Mettingen verbracht. Dann habe er sie nach Obertürkheim begleitet und sie danach nicht mehr gesehen. „Ich habe sie nicht getötet“, sagt er.

Das glauben ihm die Richterinnen und Richter nicht. Erst gut zwei Wochen nach ihrem Verschwinden hatte der 76-Jährige versucht, mit seiner Freundin, die er angeblich heiraten wollte, Kontakt aufzunehmen – mutmaßlich, um seine Täterschaft zu verschleiern.

Kopf und Arm bleiben verschwunden

„Er hat das Opfer am Abend des 26. September in seiner Wohnung zu Tode gebracht“, sagt Richter Geiger. Aus Angst vor einer Verurteilung habe er den Körper dann zerteilt und im Neckar versenkt. Die Kammer geht von einem Streit mit tödlichem Ausgang aus. Da die gefundenen Körperteile – Torso, Beine und linker Arm – keine todesursächlichen Verletzungen aufweisen, müsse die 72-Jährige durch stumpfe Gewalt gegen Kopf oder Hals gestorben sein.

In der Wohnung des Angeklagten hatte man an mehreren Stellen Blutspuren des Opfers sichergestellt. Da sich Blut in einem Schrank und an dem Trolley, mit der Mann die Leichenteile transportiert haben soll, befunden hat, sei die Version des 76-Jährigen widerlegt. Er hatte gesagt, seine Freundin habe sich eine Woche vor ihrem Verschwinden bei ihm eine Schnittverletzung an der rechten Hand zugezogen. So erklärte er die Blutspuren. Allerdings hatten weder der Obertürkheimer Freund der Frau, noch ihre Freundinnen oder ihre Kolleginnen eine solche Verletzung bemerkt. Da der rechte Arm nicht gefunden wurde, lässt sich dies auch nicht nachprüfen.