Der Betreiber des Bordells Paradise in Leinfelden-Echterdingen, Jürgen Rudloff, steht seit Freitag vor dem Landgericht Stuttgart. Die Vorwürfe – Beihilfe zum Menschenhandel und Millionenbetrug – wiegen schwer.

Stuttgart - Er betritt den voll besetzten Gerichtssaal 1 des Landgerichts so, wie man ihn kennt: Föhnfrisur, ein weißes Hemd mit offenem Kragen unter dem schwarzen Sakko, schlank, selbstbewusst. Die Zuhörer, auch die aus der Rotlichtszene, recken die Hälse. Jürgen Rudloff, Betreiber mehrerer Bordelle in Leinfelden-Echterdingen, Saarbrücken, Frankfurt und Graz, einst Gast in etlichen Talkshows, jetzt Untersuchungshäftling und Angeklagter vor der 7. Strafkammer, wird in Handschließen vorgeführt. Eher untypisch für den 64-jährigen Stuttgarter: Er wird schweigen, zumindest vorerst.

 

Neben Rudloff sitzen sein ehemaliger Marketingchef, sein einstiger Geschäftsführer und ein Frankfurter Anwalt ohne Anwaltszulassung auf der Anklagebank. Mehr als eineinhalb Stunden benötigt Oberstaatsanwalt Peter Holzwarth, um den Anklagesatz zu verlesen. In dem 2008 eröffneten Bordell Paradise in Leinfelden-Echterdingen sollen Frauen genötigt, geschlagen und ausgebeutet worden sein. Dies hätten Rudloff, der Marketingmann und der Geschäftsführer gebilligt, so einer der Vorwürfe.

Wüste Misshandlungen

Die jungen Frauen im Paradise seien von dem Reutlinger Chapter der Hells Angels und von der Straßenbande United Tribuns gestellt worden. Da ist von Haupt- und Nebenfrauen die Rede, vom Vizeweltpräsidenten der United Tribuns und von wüsten Misshandlungen.

Ankläger Holzwarth listet mehrere Beispiele auf. So habe einer der United-Tribuns-Zuhälter eine Frau – um sich Respekt zu verschaffen – so lange mit einem Duschkopf auf den Kopf geschlagen, bis sie blutüberströmt war. Eine andere Frau wurde von ihrem „Beschützer“ brutal misshandelt. Sie trug schwere Verletzungen davon. Andere Frauen mussten auch dann anschaffen, wenn sie krank waren. Drohungen seien an der Tagesordnung gewesen. Das ging vom Knochenbrechen bis hin zum Zerschneiden des Gesichts mit einem Teppichmesser. Mehrere Frauen wurden gezwungen, sich den Namen ihres Zuhälters auf Schenkel, Brust, Bauch oder Unterarm tätowieren zu lassen.

Rudloff war Trauzeuge eines Zuhälters

Bei einem dieser „Beschützer“ aus den Reihen der United Tribuns fungierte Bordellchef Rudloff als Trauzeuge. Trotzdem will der 64-jährige Stuttgarter – wie auch sein Marketingchef und sein Geschäftsführer – von all den Misshandlungen nichts gewusst haben. Er habe das „gläserne Bordell“ mit ehrlicher und fairer Prostitution propagiert, so Rudloff vor seiner Festnahme am 27. September 2017. Er ist der einzige der vier Angeklagten, der immer noch in U-Haft sitzt.

Bei dem zweiten Komplex, dem mutmaßlichen Millionenbetrug, kommt der Jurist aus Frankfurt ins Spiel. „Rudloff gewann in einer Art Schneeballsystem in betrügerischer Weise Investoren und Darlehensgeber“, trägt der Oberstaatsanwalt vor. Angeblich habe der Angeklagte laufende und neue Bordelle finanzieren wollen. Tatsächlich soll der Löwenanteil des eingeworbenen Geldes, es ist von rund drei Millionen Euro die Rede, in die Privatkasse Rudloffs geflossen sein. Dabei soll ihm der vorbestrafte 70-jährige Jurist aus Frankfurt geholfen haben.

Promi-Verteidigerin Combé im Team

Prominentestes mutmaßliches Opfer Rudloffs und seiner Mitangeklagten soll der ehemalige Formel-1-Manager Willi Weber gewesen sein. Er habe rund 500 000 Euro verloren, so der Oberstaatsanwalt.

Rudloff wird von dem renommierten Anwalt Frank Theumer vertreten. Und er hat sich Andrea Combé ins Verteidigerteam geholt. Combé hat einst den wegen Vergewaltigung angeklagten Wettermoderator Jörg Kachelmann mitverteidigt. Kachelmann wurde 2011 freigesprochen.

Vorerst wollen sich die Angeklagten nicht zu den Vorwürfen äußern. Rainer Gless, Vorsitzender Richter der 7. Strafkammer, hat den Männern mit auf den Weg gegeben, sie könnten sich durch Geständnisse Strafrabatte von bis zu einem Drittel verdienen. Oberstaatsanwalt Holzwarth stellt sich für Rudloff ohne Geständnis eine Strafe im „hohen einstelligen Bereich“ vor. Nächster Prozesstag ist der 6. April.