Landgericht Stuttgart Mehr als drei Jahre Haft für fast 70-jährigen Einbrecher
Das Landgericht Stuttgart verurteilt einen Senior, der fast sein halbes Leben im Gefängnis verbracht hat. Der Mann ist als „Mauerläufer“ in den Haftanstalten bekannt.
Das Landgericht Stuttgart verurteilt einen Senior, der fast sein halbes Leben im Gefängnis verbracht hat. Der Mann ist als „Mauerläufer“ in den Haftanstalten bekannt.
Wegen mehrfachen Wohnungseinbruchs und Sachbeschädigung im Rems-Murr-Kreis hat das Landgericht Stuttgart einen fast 70 Jahre alten Angeklagten zu drei Jahren und drei Monaten Gefängnis verurteilt. Die Staatsanwaltschaft hatte eine Haftstrafe von viereinhalb Jahren gefordert, die Verteidigung eine solche von zwei Jahren und elf Monaten für ausreichend erachtet.
Ein Gefängnis von innen zu sehen, ist für den 69-Jährigen mit den weißen Haaren nichts Ungewöhnliches: Bis heute haben Gerichte insgesamt 30 Jahre Gefängnis gegen ihn verhängt, die der Mann mit dem schweren Start ins Leben weitgehend abgesessen hat.
Geboren wurde er als achtes Kind seiner Mutter, nur zwei seiner Geschwister haben denselben Vater. Schon in jungen Jahren flüchtete die Mutter nach Neapel, um sich einer Gefängnisstrafe in Deutschland zu entziehen. In Süditalien setzte sie ihre acht Kinder aus, die von den italienischen Behörden wieder nach Deutschland zurückgeschickt wurden. Der Angeklagte wuchs in mehreren Heimen auf, schon früh wurde er in der Schule auffällig. Diese besuchte er bis zur achten Klasse, eine kaufmännische Lehre und eine weitere zum Schreiner brach er vorzeitig ab. Schon als Jugendlicher kam er in Konflikt mit der Justiz.
Während einer vierjährigen Haftzeit in Freiburg holte er den Schulabschluss nach und schloss eine Lehre zum Schuhmacher ab. In der Zeit zwischen seinen Gefängnisstrafen lebte der Angeklagte häufig auf einem Hof im Freiburger Raum, wo eine Bekannte ein Antiquitätengeschäft betrieb. Er arbeitete für sie Möbel auf und holte Antiquitäten bei Verkäufern ab. Vor seiner letzten Verhaftung im März dieses Jahres wohnte er in Chemnitz, weil das ein Ort gewesen sei, in dem man billig wohnen könne, hatte der 69-Jährige den Richtern erklärt. In den diversen Gefängnissen ist er als „der Mauerläufer“ bekannt, da er regelmäßig joggte und in Freiheit an einigen Marathons teilnahm.
Die 5. Große Strafkammer des Landgerichts sah es als erwiesen an, dass der 69-Jährige im Juni vergangenen Jahres das Fenster eines Hauses in Backnang aufgehebelt hat, im Juli in Sulzbach an der Murr und in Murrhardt. Im August sei er in eine Wohnung in Weissach im Tal eingedrungen und in zwei Wohnungen in Höchenschwand bei Waldshut-Tiengen nahe der Schweizer Grenze. Zuletzt war ein Blumengeschäft in Stuttgart Ziel eines Einbruchsversuchs. Der Gesamtschaden an Türen und Fenstern betrug rund 3700 Euro. Erfolgreich waren drei Einbrüche, insgesamt erbeutete der Angeklagte Bargeld und Schmuck im Gesamtwert von 4700 Euro.
Einige Taten waren wegen Geringfügigkeit eingestellt worden, die übrigen hatte der 69-Jährige eingeräumt. Zum Einsatz in diesem Prozess war ein Gutachter für Anthropologie gekommen. Dieser hatte Bilder aus den Überwachungskameras an den Gebäuden mit den typischen Merkmalen und Bewegungsabläufen des Angeklagten abgeglichen und damit ein so genanntes anthropologisches Identitätsgutachten erstellt.