Eine 33-jährige Frau steht vor dem Landgericht Stuttgart, weil sie ihre kleine Tochter auf offener Straße fast umgebracht hat.

Stuttgart - Nein, das was sie getan hat, habe sie nicht freiwillig getan, sagt die 33-jährige Frau vor der 1. Strafkammer des Landgerichts. Böse Stimmen hätten ihr immer wieder befohlen, ihre Kinder und sich selbst zu töten – und das auf Deutsch, Englisch und Italienisch.

 

Der dramatische und lebengefährliche Vorfall hatte sich am 4. Mai dieses Jahres an der Unterländer Straße in Zuffenhausen ereignet. Die 33-Jährige war mit ihren sechs und knapp drei Jahre alten Töchtern unterwegs. „Ohne jedes Ziel“, sagt sie. Ihre jüngere Tochter trug sie dabei bäuchlings über einer Schulter, mit dem Kopf auf ihrem Rücken. Gegen 19.30 Uhr schnappte sie das Mädchen, hob es hoch und schmetterte es auf den Boden.

Das Kind erlitt eine Schädelbasisfraktur und ein Schädelhirntrauma. Die Ärzte im Olgahospital retteten ihm das Leben. Die Mutter, die noch eine weitere Tochter in ihrem Heimatland Nigeria hat, wurde festgenommen, kam aber bald vom Gefängnis ins Zentrum für Psychiatrie in Weissenau. Die 33-Jährige habe die Tat unter dem Einfluss einer schizophrenen Psychose begangen und sei daher nicht dafür verantwortlich, so die Staatsanwältin. Sie beantragt die Unterbringung der Frau in der Psychiatrie. Die zwei Mädchen sind in der Obhut des Jugendamts.

„Der Häuptling des Todes ist gekommen“

Juristisch sei die Tat ein versuchter Totschlag und eine schwere Misshandlung von Schutzbefohlenen, so die Anklägerin.

Seit drei Monaten habe sie Stimmen gehört, sagt die Beschuldigte, die im November 2014 nach Deutschland gekommen war. Zuletzt lebte sie mit ihren Töchtern in einer Flüchtlingsunterkunft in Stammheim. Anfangs seien die Stimmen gut gewesen, dann aber immer böser geworden. „Der Häuptling des Todes“ sei gekommen, hätten die Stimmen ihr gesagt. Sie habe keinen Schlaf mehr gefunden – bis zu dem Tag Anfang Mai in Zuffenhausen, als sie ihre kleine Tochter auf Geheiß der Stimmen, wie sie sagt, so schwer verletzte.

Die Frau, die in ihrer Heimat nach drei Jahren Schulbesuch auf einer Farm gearbeitet hat, war 2008 von ihren Eltern an einen Mann, dem sie Geld schuldeten, verkauft worden. Noch in Nigeria sei sie mittels eines Voodoo-Rituals zum Gehorsam gezwungen worden. Über Niger kam sie nach Libyen, wo sie sich ein Jahr lang habe prostituieren müssen, sagt die Beschuldigte. Dann sei sie nach Italien geflohen, wo sie ihr zweites Kind auf die Welt gebracht habe. Ihre Erstgeborene lebe bei ihrer Tante in Nigeria. In Deutschland schließlich brachte sie eine dritte Tochter zur Welt, die dann zum Opfer wurde. Der Prozess wird fortgesetzt.