Mehr als zwei Jahre liegt die Anklage bereits vor. Nun hat das Landgericht entschieden, dass es zum Prozess um die Pleite des Windkraft-Pioniers Windreich kommt. Vor Gericht muss der Gründer, aber auch ein Ex-Minister.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Im Strafverfahren um die Insolvenz der Windkraftfirma Windreich aus Wolfschlugen (Kreis Esslingen) soll es nun bald zum Prozess kommen. Mehr als zwei Jahre nach Erhebung der Anklage hat das Landgericht Stuttgart diese fast vollständig zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Dies bestätigte ein Sprecher des Landgerichts unserer Zeitung. Termine seien noch nicht bestimmt, man rechne mit einem Beginn im zweiten Halbjahr.

 

Die Staatsanwaltschaft wirft acht Beschuldigten Insolvenzverschleppung, Beihilfe dazu und Betrug in Millionenhöhe vor. Die Anklage richtet sich vorrangig gegen den Windreich-Gründer Willi Balz, der alle Vorwürfe als unbegründet zurückweist. Am Rande betroffen ist auch der frühere Wirtschaftsminister Walter Döring (FDP), der den Vorwürfen ebenfalls widerspricht. Laut dem Sprecher wurde die Anklage nur bei einem Angeklagten wegen eines untergeordneten Punktes nicht zugelassen.

Vor mehr als zwei Jahren Anklage erhoben

Die Entscheidung über den Prozess hatte sich ungewöhnlich lange hingezogen. Nach vierjährigen Ermittlungen hatte die Staatsanwaltschaft Ende 2016 Anklage erhoben, also vor mehr als zwei Jahren. Ein Teilaspekt der Anklage drohte deshalb bereits zu verjähren. Die lange Dauer erklärte das Gericht mit der Komplexität des Falles und der Überlastung der zuständigen Wirtschaftsstrafkammer. Allein die Anklageschrift umfasse mehr als 500 Seiten, hinzu kämen 234 Aktenordner. Ende vorigen Jahres war die Kammer von vorrangigen Haftsachen zeitweise befreit worden, um das Verfahren voranzubringen. In dem kleinen Nebenaspekt sei die Einstellung nicht wegen Verjährung erfolgt, betonte der Gerichtssprecher.

Die von Willi Balz gegründete Firma Windreich plante und entwickelte Windparks, um sie dann an Investoren zu verkaufen. Balz hatte sich stets als Branchenpionier verstanden und sein Geschäftskonzept als überaus aussichtsreich dargestellt. Nachdem sich bereits finanzielle Schwierigkeiten abgezeichnet hatten, musste Windreich 2013 Insolvenz anmelden.

Verteidigung weist Vorwürfe zurück

Balz’ Verteidigerin Ulrike Paul sagte unserer Zeitung, man weise die Vorwürfe „weiterhin vollumfänglich zurück“; der Beschluss des Gerichts lag ihr zunächst noch nicht vor. Der Windreich-Chef selbst witterte nach früheren Aussagen hinter den Ermittlungen eine Verschwörung früherer Gläubiger. Schon bei der ersten Durchsuchung sei die Staatsanwaltschaft von völlig falschen Voraussetzungen ausgegangen; die Firma sei nie zahlungsunfähig gewesen. Ex-Minister Döring geriet ins Visier der Justiz, weil er bei Windreich zeitweise Vorstand und Aufsichtsrat war. Die Anklage wegen Beihilfe zur Insolvenzverschleppung hatte er „mit aller Entschiedenheit“ zurückgewiesen.

Die Anklage richtet sich auch gegen einen früheren Berater von Balz, der sie ebenfalls für unbegründet hält. Bei den Ermittlungen gegen ihn hatte es Wirbel um den Einsatz von dubiosen V-Leuten gegeben. Diese hatten ihm unter anderem Kontakte zur Mafia und versuchten Subventionsbetrug zulasten der EU vorgeworfen – was sich als völlig haltlos erwies. In der Anklage spielt es daher keine Rolle. Gleichwohl hatte sich die Staatsanwaltschaft strikt geweigert, die Identität der V-Leute offenzulegen. Dieses Vorgehen öffne Spekulationen „Tür und Tor“, hatte Rechtsanwältin Paul kritisiert.