Ab Montag steht ein 56-jähriger Esslinger vor Gericht, weil er zwei Männer aus der Schwulenszene auf Parkplätzen erschossen haben soll.  

Stuttgart - Der Fall hat bundesweit Aufsehen erregt: im Mai und Juli vergangenen Jahres wurden die Leichen zweier Männer auf Parkplätzen in der Region gefunden. Der laut Staatsanwaltschaft "völlig arglose" 30-jährige Heiko S. ist am 8. Mai 2010 kurz vor Mitternacht an einer Landstraße bei Magstadt im Kreis Böblingen erschossen worden. Friedrich L., 70 Jahre alt, wurde am 2. Juli in einem Waldstück an der Autobahn 5 bei Mörfelden-Walldorf von hinten in den Kopf geschossen. Die Ermittler fahndeten mit Hochdruck nach dem Mörder; unter anderem wurde ein Beitrag in der ZDF-Fernsehsendung "Aktenzeichen XY" ausgestrahlt.

 

Am 12. Dezember ging ihnen schließlich ein früherer Postbeamter aus Esslingen ins Netz. Die Ermittler fanden sowohl die Tatwaffe als auch die Munition in dessen Wohnung. Seither sitzt der 56-Jährige in Untersuchungshaft. Ihm werden nicht nur die beiden Morde zur Last gelegt: Er soll außerdem einen 62 Jahre alten belgischen Touristen in Freudenstadt mit einem Messer bedroht haben. Laut Staatsanwaltschaft wollte er ihn vom belebten Marktplatz wegführen, um ihn dann an abgelegener Stelle zu töten. Der Mann wehrte sich aber mit Erfolg, er konnte fliehe

In allen drei Punkten muss der mutmaßliche Täter sich von Montag an vor der Schwurgerichtskammer 1a am Landgericht Stuttgart verantworten. Bereits Anfang Juni hätte der 56-Jährige vor Gericht stehen sollen. Aber wenige Tage vor dem Prozessauftakt hat der Häftling in seiner Stammheimer Zelle versucht, sich mit Tabletten das Leben zu nehmen. Offenbar war es dem Aidskranken gelungen, eine größere Menge an Pillen zu horten. Nach dem Suizidversuch lag er im Koma, eine Zeit lang schien unklar, ob der Rentner überhaupt wieder verhandlungsfähig werden würde.

War es Rache für eine HIV-Infektion?

Diese Zweifel sind nun ausgeräumt. Das Landgericht hat bis zum 22. Dezember insgesamt 19 Verhandlungstage angesetzt. Die Kammer unter dem Vorsitz von Richterin Ute Baisch wird unter anderem klären, ob der Mann sich seine Opfer tatsächlich willkürlich auswählte - und in welchem Verhältnis er zur Schwulenszene steht. Denn sowohl der Parkplatz bei Magstadt als auch der Autobahnrastplatz in der Nähe des Frankfurter Flughafens gelten als Treffpunkt für Homosexuelle.

Lange kursierte die Vermutung die Morde seien eine Racheaktion für seine HIV-Infektion gewesen. Der 56-Jährige gab an, sich vor Jahren in einem Kenia-Urlaub mit dem Aidsvirus infiziert zu haben. Dort hätte er mit mehreren Frauen Sex gehabt; eine der Gespielinnen allerdings sei ein HIV-positiver Transvestit gewesen, bei dem er sich mit der tödlichen Krankheit ansteckte.

Aufschluss unter anderem darüber ist vom zweiten Anlauf der Hauptverhandlung zu erwarten.