Müllexport hat auch etwas Gutes: Seit sechs Jahren unterstützt der Landkreis Böblingen mit seinem Abfallwirtschaftskonzept die tunesische Kleinstadt El Guettar. Die Kooperation hat sich mittlerweile zu einer Partnerschaft auch auf anderen Gebieten entwickelt.

Aus dem Versuch wurde ein Erfolgsmodell, mit dem niemand gerechnet hatte. „Als der Kontakt zwischen der tunesischen Gemeinde und dem Abfallwirtschaftsbetrieb Böblingen zustande kam, um in der tunesischen Stadt die ersten Schritte hin zu einer nachhaltigen Abfallwirtschaft zu gehen, konnte noch keiner der Beteiligten voraussagen, dass sich das Projekt zu mehr als einem reinen Beratungsprojekt entwickeln würde“, schreibt das Landratsamt in einer Mitteilung. Die Partner fanden sich im Rahmen des Projekts „Kommunaler Wissenstransfer Maghreb-Deutschland“ unter der Federführung des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Die Laufzeit des Projekts wurde nun bis 2023 verlängert.

 

„Beim Aufbau lokaler Selbstverwaltung und bei der Entwicklung demokratischer Strukturen auf kommunaler Ebene sind Wissen und Erfahrungen deutscher Städte und Landkreise gefragt“, erläutert Wolfgang Hörmann, Werkleiter des Abfallwirtschaftsbetriebs. Daran habe sich bis heute grundsätzlich nichts geändert, obwohl die Demokratisierungserfolge des Arabischen Frühlings nicht anhielten. Allerdings „lebe“ die Partnerschaft zwischen dem Landkreis Böblingen und El Guettar auf lokaler Ebene, so der Landkreis. Die Idee zu dem Projekt sei maßgeblich vom dortigen Umweltverein angestoßen worden.

Am Anfang war die Abfalltrennung

Anfangs ging es darum, den Bürgern die Abfalltrennung näherzubringen. Hierzu wurden im Rahmen einer Kampagne Flyer im ganzen Ort verteilt, über Infostände, Plakate und Radiospots die Gemeinde für das Thema sensibilisiert. Als sehr erfolgreich habe sich die Idee erwiesen, jugendliche Multiplikatoren auszubilden, die das Mülltrennsystem an Schulen Gleichaltrigen erklären. Im nächsten Schritt wurde die Abfalltrennung auf alle Haushalte El Guettars ausgedehnt und eine Sammelstelle für Kunststoffabfälle eingerichtet. Schließlich wurde die Mülltrennung erst auf Kartonagen, später dann auch auf Glas und Metalle erweitert.

„Im Grunde ähnelt diese Art der Wertstofferfassung unserem Böblinger System mit den Wertstoffhöfen“, sagt Werkleiter Wolfgang Hörmann. Perspektivisch soll auch im tunesischen El Guettar ein häusliches Sammelsystem mit drei Behältern für Wertstoffe, Organisches und Restmüll eingeführt werden, so dass sich 20 Prozent der Haushalte an dieser Art von Mülltrennung beteiligen können. El Guettar wurde inzwischen als eine der fünf saubersten Städte Tunesiens ausgezeichnet. Als nächster Schritt ist der Bau einer Kompostieranlage geplant. Die Pläne dafür liegen seit dem letzten Besuch der Böblinger im Jahr 2019 in El Guettar vor und werden seit dem Jahr 2021 im Rahmen eines Förderprogramms unterstützt.

Der nächste Schritt ist die Kompostieranlage

Als Teil der Nachhaltigkeitsstrategie des Landkreises Böblingen ist das Partnerschaftsprojekt jedoch nicht nur auf die Abfallwirtschaft beschränkt. Über das Abfallprojekt des AWB hinaus hat der Landkreis 2019 die Kooperation mit El Guettar durch eine Partnerschaftserklärung auf weitere Handlungsfelder ausgedehnt. Die Ausweitung der Zusammenarbeit zwischen dem Landkreis Böblingen und El Guettar ist bereits in Arbeit. Seit Oktober 2021 läuft ein tunesisch-arabischer Sprachkurs an der Volkshochschule in Böblingen, die Bürger El Guettars können über einen Online-Kurs Deutsch lernen.

Hilfe bei der Pandemiebekämpfung

Auch in Themen der Pandemiebewältigung unterstützt der Landkreis Böblingen seine Partnerstadt: Hilfsmittel sind beantragt und bewilligt. Vor ein paar Wochen ging ein Transport mit Schutzausrüstung per Lastwagen nach El Guettar.