Viele Gastronomiebetriebe unterstützen mit Linsengerichten die Aktion „Heckengäulinsen – Essen für eine Welt“ – und damit auch sich selbst. Was dahintersteckt – und warum Linsen gerade im Heckengäu so gut gedeihen.

Baden-Württemberg: Florian Dürr (fid)

Landkreis Böblingen - Mit zwei Hektar Anbaugebiet für Linsen hat der Landwirt Andreas Kindler angefangen. Das war vor elf Jahren. Inzwischen seien es rund 100 Hektar im Kreis Böblingen, 200 im gesamten Heckengäu vom Ludwigsburger Süden bis nach Herrenberg. „Das ist ein riesen Erfolgsprojekt“, sagt Kindler hörbar enthusiastisch. Der Renninger ist froh, dass so viele Landwirte seiner Idee gefolgt sind – und ebenfalls auf den Anbau von Linsen gesetzt haben. Denn das Heckengäu sei dafür prädestiniert: „Die Linse liebt die Kalk-und Sandsteinböden. Und davon haben wir im Heckengäu viele“, erzählt Kindler.

 

50 Cent bis ein Euro pro Gericht gehen in den globalen Süden

Eines Tages, im Gespräch mit Pfarrer Franz Pitzal aus Renningen, schlug der Landwirt vor, einen Teil der Linsen an die Tafel zu spenden. Doch der Pfarrer entgegnete: „Nein, wir müssen was Größeres machen – für die Leute, die mehr Hunger haben als wir“, zitiert ihn Kindler. Die Aktion „Heckengäulinsen – Essen für eine Welt“ war geboren. Dass dieses „Superfood“ dafür ausgewählt wurde, ist kein Zufall: Linsen liefern reichlich Proteine, Eisen, Vitamine und Mineralstoffe.

Am Dienstag fand im Landratsamt Böblingen die Auftaktveranstaltung statt. Nun unterstützen bis Februar 2021 alle teilnehmenden Gastronomiebetriebe mit einem oder mehreren Linsengerichten die Aktion – und helfen damit, den Hunger im globalen Süden zu bekämpfen. Denn 50 Cent bis ein Euro fließen pro Gericht in die Projekte von Pfarrer Pitzal in Afrika, Asien und Lateinamerika. Dort seien die Auswirkungen der Corona-Pandemie nämlich weitaus drastischer ausgefallen als in Europa, viele Menschen seien akut von Hunger bedroht. „Wir können froh sein, dass ein Hauch von Menschlichkeit in die Länder kommt“, sagt Pitzal. Schon jetzt hätten den Pfarrer herzliche Dankesbriefe unter anderem aus Burkina Faso oder Indonesien erreicht.

16 Gastronomie-Betriebe machen mit, weitere sollen folgen

Bei der Auftaktveranstaltung im Landratsamt servierte die Kantine den urschwäbischen Klassiker Linsen mit Spätzle und Saitenwürsten. Folgen sollen weitere Gerichte wie Linsensalat, ein Linsen-Wrap oder Lachs auf Linsen, wie es Roland Bolinth von der Gastronomie-Gruppe SV Group den Köchen schon vorschlug. Auch in den teilnehmenden Betrieben, wie beispielsweise in den Brauhäusern von Schönbuch Bräu in Böblingen, Calw und Stuttgart finden die Kunden schon Gerichte mit Heckengäulinsen von Landwirt Kindler.

Vom Aussterben zum Schlager: Die Heckengäulinse

Bisher nehmen 16 Betriebe an der Aktion teil, weitere sollen folgen: „Je mehr mitmachen, desto größer die Wirkung“, sagt Landrat Roland Bernhard, der als Schirmherr für „Heckengäulinsen – Essen für eine Welt“ agiert. Ziel der Aktion sei es auch, der Corona bedingt stark gebeutelten Gastronomie-Branche auf die Beine zu helfen: „Neben dem guten Zweck, der unmittelbar finanziell gefördert wird, werden die regionalen Gastronomen gestärkt und ein regionales Lebensmittel ins Bewusstsein gerückt“, sagt Bernhard.

In den 1950er-Jahren seien die Linsen aus dem Heckengäu verschwunden, wie der Landwirt Kindler erzählt. Denn es sei günstiger gewesen, das „Superfood“ aus dem Orient oder aus Kanada zu importieren. Dank Kindlers Vorstoß haben die Linsen nun aber wieder regionalen Charakter erhalten. Oder wie es der Landwirt selbst formuliert: „Die Linse ist wieder zum Schlager geworden.“