Immer mehr hochwertige Autos verfügen über ein Funk-Schließsystem, mit dem man das Auto öffnen und starten kann, ohne den Schlüssel herauszuholen. Das ist zwar komfortabel. Leider gilt das aber auch immer häufiger für Diebe, wie sich in Baden-Württemberg zeigt.

Heilbronn - Eine Diebesbande soll bundesweit komfortable Funk-Öffnungssysteme (Keyless-Go) ausgenutzt haben, um mindestens 27 Autos im Wert von rund 1,4 Millionen Euro zu knacken und zu stehlen. Auf die Spur der siebenköpfigen Bande aus Polen kamen die Ermittler nach monatelanger Suche. Mehrere Männer konnten sie auch auf frischer Tat und mit laufenden Motoren schnappen, wie die Polizei am Mittwoch in Heilbronn erklärte. Die Autos wurden zwischen März und November 2019 in Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt gestohlen. Ein Schwerpunkt des Beutezugs liegt mit elf Diebstählen im Landkreis Heilbronn.

 

Mit Keyless-Go können Fahrzeugbesitzer ihr Auto öffnen und starten, ohne den Schlüssel aus der Hosen- oder Handtasche nehmen zu müssen. Über Funkwellen erkennt ein Modul im Auto, wenn sich der Schlüssel nähert. Meist ist auch für das Starten kein Zündschlüssel mehr notwendig, ein Knopfdruck genügt. Diebe täuschen mit sogenannten Funkverstärkern das Signal vor und können so die Wagen öffnen - das Auto verschwindet geräuschlos.

Sie rasen meist nonstop Richtung Ziel

Das Problem: Die Diebe können den Wagen unterwegs nicht mehr abschalten, weil dann der Schlüssel und somit das Funksignal zu weit weg sind. Deswegen rasen sie meist nonstop Richtung Ziel. Sollten sie etwa zum Tanken anhalten müssen, lassen sie den Motor laufen. So war das nach Angaben der Polizei auch im Fall der polnischen Verdächtigen.

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Der ADAC fordert von den Autoherstellern einen besseren Schutz. Technisch sei das möglich, teilt er mit. Der Verband hatte im vergangenen Jahr etwa 300 Modelle getestet. „Mit einer selbst gebauten Funkverlängerung konnten fast alle bisher untersuchten Fahrzeuge sekundenschnell entsperrt und weggefahren werden“, sagte ein Sprecher. Den Schlüssel in Alufolie zu wickeln, schütze jedenfalls nicht unbedingt vor Diebstahl, warnte der ADAC.

Auf die polnischen mutmaßlichen Diebe im Alter von 25 bis 34 Jahren war die Polizei aufmerksam geworden, weil die Zahl dieser Art von Diebstählen zwischen Januar und August des vergangenen Jahres im Landkreis Heilbronn massiv zugenommen hatte. Insgesamt wurden dabei 34 Autos geklaut. „Auffallend war, dass die Tatorte nahe der Autobahn lagen und die Täter nachts zuschlugen“, sagte ein Polizeisprecher. „Es gelang den Dieben jeweils, das elektronische Keyless-Go-System unbemerkt zu überwinden.“ Vor allem auf die Marke Audi hatten es die Täter abgesehen.

Organisation von Polen aus

Unter anderem mit der Hilfe von verdeckten Ermittlern kamen die Beamten den Verdächtigen langsam auf die Spur, dann schlugen sie zu: Ende Oktober konnten sie das Auto eines mutmaßlichen Autoknackers ausmachen und observieren. Eineinhalb Wochen später nahmen sie in der Nähe von Philippsburg vier Männer fest, die kurz zuvor einen Audi A8 gestohlen hatten. Ende November der nächste Fahndungserfolg: Bei zwei Männern klickten die Handschellen auf einer Rastanlage in Thüringen, nachdem sie im hessischen Limeshain einen Kleintransporter gestohlen hatten und unterwegs zur Grenze waren.

Organisiert wurden die Taten im Landkreis Heilbronn laut Polizei von Polen aus, die Fahrten nach Deutschland wurden von sogenannten Begleitfahrern durchgeführt, und als unterste Ebene der Bandenstruktur dienten die Fahrer der gestohlenen Autos.

Nach Angaben des Landesinnenministeriums sind Banden wie diese hierarchisch strukturiert, sie sind sehr mobil und machen auch vor Grenzen nicht halt. Die Zahl der Autodiebstähle sei zwar im vergangenen Jahr in Baden-Württemberg leicht zurückgegangen auf 1403 Fälle bei einem Schaden von 17,1 Millionen Euro, sagt Innenminister Thomas Strobl (CDU). „Aber mehr als ein Drittel der Schadenssumme ist auf solche Straftaten zurückzuführen, bei denen die Täter das Keyless-Go-System überwunden hatten.“