Der Landrat fordert, dass auch ältere Lehrer und solche mit Vorerkrankung in den Dienst zurückkehren dürfen.

Pädagogik - Wie lässt sich der Betrieb in den Schulen unter größtmöglicher Hygiene organisieren? Werner Diebold, Direktor des Beruflichen Schulzentrums Leonberg, ist einer der Schulleiter, die sich zurzeit mit dieser Frage befassen. „Wir werden Probleme bekommen“, sagt Diebold. Jedenfalls dann, wenn die aktuellen Regelungen des Kultusministeriums so bleiben, wie sie derzeit bestehen.

 

Böblingens Landrat Roland Bernhard und die 26 Bürgermeister im Kreis wissen um die Probleme der Schulen. Deshalb haben sie einen gemeinsamen Brief an die Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) geschrieben und fordern Nachbesserungen. „Besorgniserregend“, schreiben der Landrat und die Bürgermeister, sei vor allem die Lehrerversorgung. „Aus den Städten und Gemeinden werden Engpässe gemeldet.“

Risikogruppen dürfen nicht unterrichten

Eines der Probleme sei, dass derzeit Lehrer, die zu einer Risikogruppe gehören, die also älter als 60 Jahre alt sind oder eine Vorerkrankung haben, nicht an die Schulen zurückkehren dürfen – selbst, wenn sie wollen. Aus Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beamten hat das Land dies so geregelt. Wie sich das konkret auswirkt, hat Werner Diebold für die Beruflichen Schulen im Kreis ausgerechnet. Je nach Schule seien 13 bis 34 Prozent der Lehrer betroffen. 13 bis 20 Prozent des Unterrichts fallen deshalb aus. Am Beruflichen Schulzentrum Leonberg bedeutet es zum Beispiel einen Unterrichtsausfall von 19 Prozent.

„Wobei das nur die halbe Wahrheit ist“, erklärt der Schulleiter. An seiner Schule werden sehr spezielle Berufe wie Augenoptiker, Kältetechniker und Stuckateur gelehrt. Dort unterrichten jeweils nur wenige Fachkräfte – und wenn diese mit Berufsverbot belegt werden, fällt viel Unterricht aus. „In zwei, drei dieser Bereiche bekommen wir in Leonberg richtig Probleme“, berichtet Werner Diebold und unterstützt die Formulierung, die der Landrat und die Bürgermeister in ihrem Brief gewählt haben: „Das ist teilweise besorgniserregend.“

Nach den Pfingstferien beginnt der Unterricht an den Beruflichen Schulen wieder im größeren Stil. In Leonberg werden dann die Klassen geteilt. Die Hälfte der Schüler ist vor Ort und wird mit großem Sicherheitsabstand unterrichtet. Die andere Hälfte ist zuhause und erledigt dort Aufgaben. Jede Woche wird gewechselt.

„Raumkapazitäten sind ausgeschöpft“

Mehr Präsenzunterricht sei nicht möglich. Landrat Bernhard und die Rathaus-Chefs warnen die Kultusministerien in ihrem Brief deshalb, den Präsenzunterricht noch mehr auszuweiten. „Die Schulen wurden zwar mit Schutzausrüstung ausgestattet, aber die Raumkapazitäten sind schon jetzt ausgeschöpft“, schreiben sie. „Ein Präsenzunterricht auch für weitere Schülerinnen und Schüler noch vor den Sommerferien 2020 ist mit der jetzigen Lehrerversorgung und angesichts der Probleme mit der Raumkapazität nicht machbar.“

Die zweite konkrete Forderung der Kommunalpolitiker ist es, Lehrer nicht pauschal von der Arbeit auszuschließen. Auch jene Pädagogen, die zu einer Risikogruppe gehören, brauche man im Unterricht. Der Gesundheitsschutz der Lehrkräfte gehe zwar vor. Nur bei einer konkreten Gefährdung solle man sie vom Unterricht ausschließen, nicht pauschal, heißt es in dem Brief. Der Leonberger Direktor Werner Diebold unterstützt diese Forderung. „Wir halten an der Schule alle Hygienemaßnahmen ein“, berichtet er. Es werde Abstand gehalten, und in den Fluren gelte Maskenpflicht. Auch in ihrem Unterricht könnten die Lehrer eine Maskenpflicht erlassen. „Aber wenn das Land in anderen Bereichen nach und nach geöffnet wird, dann stellt sich schon die Frage, warum nicht auch Lehrer über 60 wieder unterrichten dürfen.“