Reportage: Frank Buchmeier (buc)

Reden wir über Ihr Hauptwerk, das Grüne U. Seit 1993 besitzt Stuttgart einen durchgängigen Grüngürtel vom Schlossplatz über den Rosensteinpark bis zum Killesberg.

 

Leider fehlt bis heute das Bewusstsein dafür, dass dies eine zusammenhängende Anlage ist. Die einzelnen Teile werden von verschiedenen Ämtern der Stadt und des Landes verwaltet und gepflegt. Es gibt nicht mal eine einheitliche Parkordnung. In den Unteren Anlagen muss man aufpassen, dass einen nicht ein Skater über den Haufen fährt, am Killesberg darf man nicht mal mit dem Radelrutsch rein.

Nachdem die Messe vom Killesberg weggezogen ist, wird das Grüne U zurzeit in Richtung Feuerbacher Heide erweitert. Zumindest dieses Projekt müsste Ihr Wohlgefallen finden.

Im Prinzip ja. Jedoch wird die Verbindung zum Bismarckturm nicht so großzügig umgesetzt, wie ich es mir gewünscht hätte. Es gibt allerhand Einschränkungen durch den Ausbau der Tennisplätze und den Verkauf von Bauland. Der Park beginnt am Neuen Schloss, am Landtag, an der Oper - und führt demnächst zu einem Mode- und Wellnesszentrum! Das zeigt, wie wenig in kulturellen Zusammenhängen gedacht wird.

Immerhin wird der Zugang zum Killesbergpark endlich verbreitert.

Vielleicht glauben die Leute: Grün sollte man ganz natürlich wachsen lassen.

An dieser Vorstellung sind wir Planer nicht schuldlos, denn nach dem Krieg haben wir zu viel gepflanzt. Wenn Sie heute etwa die Rheintalautobahn entlangfahren, sehen Sie den Schwarzwald nur von Brücken aus. Axt und Säge sind eigentlich ein wichtiges Werkzeug der Landschaftsarchitektur.

Um weiteren Unmut zu vermeiden, sollen die alten Bäume, die im Schlossgarten dem geplanten Tiefbahnhof im Weg stehen, für viel Geld verpflanzt werden.

Das zeigt, dass es in dem Stuttgart-21-Planungsteam offenbar keinen kompetenten Landschaftsarchitekten gibt. Denn sehr alte, im Verband aufgewachsene Bäume kann man nicht verpflanzen.

Bereits Ihr Vater war Landschaftsarchitekt und galt als Gegenspieler von Paul Bonatz. Bonatz wollte mitten im Rosensteinpark eine Technische Hochschule bauen, Karl Luz hat gegen diese Pläne gekämpft. Nun werden dem Bonatz-Bahnhof die Flügel gestutzt, und der Park wird erweitert. Eine späte Genugtuung für die Gärtnerdynastie Luz?

Nein, ich hätte den alten Hauptbahnhof gerne vollständig erhalten. Stuttgart 21 ist eher ein Immobilienprojekt, bei dem jeder Quadratmeter Bauland wichtiger ist als die Parkerweiterung. Wenn man S21 noch verhindern könnte, wäre das gut für die Stadt.

Diese Meinung überrascht, Sie waren Ende der 90er Jahre als Berater der Stadt für das Projekt tätig. Warum der Sinneswandel?

Zunächst sah ich große Chancen für die Vergrößerung und Entwicklung des Parks, wenn der Bahndamm neben der Platanenallee verschwindet. Ich bin Landschaftsarchitekt, der Bahnhof mit seinen unterirdischen Gleisen hat mich damals überhaupt noch nicht interessiert. Im Laufe der Zeit musste ich erkennen, dass all mein Reden, Schreiben und Zeichnen sinnlos war. Jetzt entstehen auf dem A-1-Gelände, wo bald die neue Bibliothek eröffnet wird, triste Betonflächen statt begrünter Plätze und einer großzügigen Kastanienallee, die spätestens bei der Grundsteinlegung hätte gepflanzt werden müssen.

So sieht die Moderne aus.

Ach was. Es gab schon immer Planer, die am liebsten steinerne Flächen gestaltet haben. Deren Lieblingsargument lautet: Der schönste Platz Europas ist die Piazza del Campo in Siena. Stuttgarts Zentrum ist aber der Schlossplatz, der zur Hälfte aus Vegetation besteht. Wenn man beobachtet, wie gerne die Menschen sich dort aufhalten, müsste jedem klar sein, dass solche Landschaften zu unserer Identität gehören. Wir leben in einer Stadt der Gärten und Parks. Dieses kulturelle Erbe müssen wir pflegen und weiterentwickeln.

Der neue Tiefbahnhof wird im Schlossgarten unter einem Wall und Lichtaugen versteckt.

Ich habe den Architekten Christoph Ingenhoven gebeten, seine Pläne zu ändern, um zumindest die Durchgängigkeit des Parks zu verbessern. Er war zu keinem Kompromiss bereit. Herr Ingenhoven besitzt ein bewundernswertes Selbstvertrauen, für ihn zählt nur das eigene Kunstwerk. Mir kann's eigentlich egal sein, weil ich die Einweihung seiner Superstation nicht mehr erleben werde. Aber es tut mit leid für meine Heimatstadt, in der 20 Jahre lang Unfrieden herrschen wird und die mehr als ein Jahrzehnt unter einer gigantischen Baustelle zu leiden hat.

Die Stuttgart-21-Befürworter sagen, ein Kopfbahnhof sei nicht zeitgemäß.

Ich sage: Ein Durchgangsbahnhof hätte von Anfang an in die Cannstatter Neckartalaue gehört, wo es eben und breit ist, und nicht in den sumpfigen Innenstadtkessel.

Von hier oben sehen wir die neue Messe, die ebenfalls umstritten war. Nun spricht keiner mehr über die angeblichen Nachteile.

Die neue Messe ist ein gutes Beispiel dafür, was aus einer Planung oft wird. Im Wettbewerbsentwurf war eine bequeme Verbindung für Fußgänger und Radfahrer von Plieningen nach Echterdingen enthalten. Stattdessen haben wir jetzt ein quer über die Autobahn ragendes Parkhaus, das für Fußgänger und Radfahrer ein Hindernis ist.

Stuttgart war für Klett die Großstadt zwischen Wald und Reben

Reden wir über Ihr Hauptwerk, das Grüne U. Seit 1993 besitzt Stuttgart einen durchgängigen Grüngürtel vom Schlossplatz über den Rosensteinpark bis zum Killesberg.

Leider fehlt bis heute das Bewusstsein dafür, dass dies eine zusammenhängende Anlage ist. Die einzelnen Teile werden von verschiedenen Ämtern der Stadt und des Landes verwaltet und gepflegt. Es gibt nicht mal eine einheitliche Parkordnung. In den Unteren Anlagen muss man aufpassen, dass einen nicht ein Skater über den Haufen fährt, am Killesberg darf man nicht mal mit dem Radelrutsch rein.

Nachdem die Messe vom Killesberg weggezogen ist, wird das Grüne U zurzeit in Richtung Feuerbacher Heide erweitert. Zumindest dieses Projekt müsste Ihr Wohlgefallen finden.

Im Prinzip ja. Jedoch wird die Verbindung zum Bismarckturm nicht so großzügig umgesetzt, wie ich es mir gewünscht hätte. Es gibt allerhand Einschränkungen durch den Ausbau der Tennisplätze und den Verkauf von Bauland. Der Park beginnt am Neuen Schloss, am Landtag, an der Oper - und führt demnächst zu einem Mode- und Wellnesszentrum! Das zeigt, wie wenig in kulturellen Zusammenhängen gedacht wird.

Immerhin wird der Zugang zum Killesbergpark endlich verbreitert.

Ich habe Anfang der 90er Jahre den Bereich von der Stadtbahn zwischen den Messehallen hindurch geplant, der notgedrungen eng war. Nun hat man die schönen Wasserspiele, die der Bildhauer Hans-Dieter Bohnet seinerzeit geschaffen hat, einfach weggerissen und auf eine Schuttdeponie nach Tübingen gebracht. Mein Nachfolgebüro, das mein Sohn Christof leitet, hätte sich gerne an den Killesbergplanungen beteiligt, aber es hieß, der Betrieb sei nach EU-Richtlinien zu klein für dieses Projekt.

Hatten Sie es leichter als Ihr Sohn?

Nach dem Krieg war der damalige Oberbürgermeister Arnulf Klett zwar ein Verfechter der autogerechten Stadt, aber er hat auch sehr viel für die Gartenkultur in der Stadt getan. Stuttgart war für Klett die Großstadt zwischen Wald und Reben. In der Bauverwaltung arbeiteten damals viele Vollblutarchitekten. Heute werden wichtige Posten nach irgendwelchen Proporzen besetzt, bald haben überall Juristen das Sagen. Auftraggeber und Ansprechpartner sind nicht mehr leibhaftige Personen, sondern anonyme Institutionen und Gesellschaften. Zudem gibt es unzählige Vorschriften, Richtlinien, Auflagen, inzwischen selbst vom Naturschutz. Das macht es für freie Landschaftsarchitekten zunehmend schwierig.

Welche Folgen ergeben sich in der Praxis?

Bei jeder Planung müsste als Erster der Landschaftsarchitekt anrücken. In der Realität wird er als Letzter bestellt und muss mit dem klarkommen, was er vorfindet. Die an einem Bauvorhaben beteiligten Büros und Gruppen arbeiten oft jedes für sich und auf ihrem Gebiet mit hoher Perfektion. Doch am Ende passt meist alles nicht so recht zusammen.

Man nennt Sie einen "Bleistiftgärtner", weil Ihre Gedanken ausschließlich durch dicke 6B-Minen aufs Papier flossen.

Ich besaß nie einen Computer, ich mochte mich nicht mit Technik belasten. Aber jetzt hat mir mein Sohn ein I-Pad geschenkt, und ich muss zugeben: das Gerät hat meinen Gesichtskreis erweitert. Ich benutze es nicht zum Arbeiten, sondern um meinen Geist ein bissle zu beschäftigen. Es ist schön, dass ich auf Entdeckungstour gehen kann, ohne meine Wohnung zu verlassen.

Wohin führen Ihre virtuellen Reisen?

Ich schaue mir Bilder von meinen früheren Projekten an oder das Haus in Hamburg, in dem meine Großmutter gelebt hat und wo ich als Bub oft in den Ferien war.

Sie sind kürzlich 85 geworden. Schmiedet der Planer Hans Luz noch immer große Pläne?

Ich bin froh, dass die Zeit der großen Pläne hinter mir liegt. Ich habe jetzt die Muße zum Sinnieren, Denken und Träumen. Als ich klein war, hat meine Mutter schon immer gesagt: "Mein Hans ist ein Träumer." Ich finde es auch blöd, als Ruheständler zu festen Zeiten zu schlafen. Warum soll ich abends um elf ins Bett gehen, wenn ich dann nachts um drei aufwache? Meine Tochter müsste mir einen Kaftan nähen. Den werde ich rund um die Uhr tragen und mich immer hinlegen, wenn ich müde bin - so wie ein Hund.

Wird's Ihnen nicht langweilig?

Nein, ich treffe mich hier immer wieder mit Freunden, und ich habe eine Flatrate, mit der ich billig telefonieren kann. Wir reden über Gott und die Welt, Literatur und Philosophie. Ich lese auch viel. Dabei komme ich mitunter zu ganz neuen Erkenntnissen, etwa über das großartige Universum.

Dann haben Sie mittlerweile Ihren Horizont bis ins Unendliche erweitert!

Es fasziniert mich, dass die Molekularwolken im All aus denselben Teilchen und Elementen bestehen wie wir Menschen, dass wir sozusagen Sternenstaub sind. Vielleicht schweben irgendwann meine Atome und mein Geist in diesen Wolken. Die Vorstellung gefällt mir. Kürzlich habe ich meine Kriegserlebnisse aufgeschrieben. Es ist erstaunlich, dass ich an ganze Jahrzehnte meines Lebens kaum noch Erinnerungen habe, aber alles, was zwischen meiner Zeit als Flakhelfer in Stuttgart und meiner Heimkehr aus der Gefangenschaft geschah, in meinem Kopf präsent ist. Ich habe als Einziger meiner Familie den Krieg überlebt, mein Elternhaus wurde im März 1945 zerbombt. Millionen Menschen sind umgekommen, und ich existiere immer noch. Zufall oder Schicksal? Wie auch immer: alle Ereignisse, auch die schlimmen, sind für die persönliche Entwicklung wichtig. Ich bin zufrieden damit, wie es war.

Ein Familienname steht für hundert Jahre Stuttgarter Gartenbaukunst

Werdegang: Hans Luz war drei, als sein Vater an Magenkrebs starb. Vor dem Krieg wollte der feinsinnige Gärtnersohn die Kunstgewerbeschule besuchen; er hatte in Sport auf dem Dillmanngymnasium eine Vier, in Zeichnen eine Eins. Sein älterer Bruder Karl sollte den Betrieb in der Lerchenstraße übernehmen. Karl war groß, stark, Jungvolkführer. Er fiel in Russland. Hans hatte sich bei der Wehrmacht hingegen, so gut es ging, geduckt und seine Tabakrationen gehamstert. Damit finanzierte er nach der Rückkehr aus der Kriegsgefangenschaft den Wiederaufbau des zerbombten Elternhauses. Bei den Gartenarchitekten Adolf Haag und Otto Valentien lernte er Landschaftsgärtner.

Lebenswerk: Der freie Landschaftsarchitekt Hans Luz hat Stuttgarts Stadtbild geprägt. Die Bundesgartenschau 1977 und die Internationale Gartenbauausstellung Iga 1993 in Stuttgart trugen seine Handschrift. Mit dem Grünen U erfüllte er einen Traum seines Vaters: Durch die Einbeziehung des Leibfried’schen Gartens und des Wartbergs schuf Hans Luz einen durchgängigen Grüngürtel vom Schlossplatz über den Rosensteinpark bis zum Killesberg und weiter bis zum Bärenschlössle. Die Anlagen um die Landesbibliothek und um Schloss Hohenheim entstanden ebenfalls in seiner Ideenwerkstatt wie auch die Gärten des Max-Planck-Instituts in Büsnau, des Diakonischen Werkes und des Hauses Birkach sowie zahlreicher Privathäuser. Den Titel des Honorarprofessors nahm er dankend von der Universität Stuttgart an: „Seither werde ich beim Zahnarzt besser behandelt.“

Nachwuchs: Seit seine Frau Gretel vor acht Jahren gestorben ist, lebt Hans Luz alleine in der Wohnung im Asemwald. Seine Söhne Christof, Frieder und Heiner sind allesamt Landschaftsarchitekten, Tochter Henrike eine freiberufliche Kostümbildnerin.