Vom rechtsterroristischen NSU bekam auch der Verfassungsschutz im Südwesten nichts mit. Nun wollen die Abgeordneten den Geheimdienst stärker an die Kandare nehmen. Aber was wird jetzt aus der großen grünen Verfassungsschutzreform?

Stuttgart - Als Konsequenz aus der jahrelang unerkannt gebliebenen Mordserie des rechtsterroristischen NSU wird der Verfassungsschutz im Südwesten künftig stärker vom Landtag kontrolliert. Als letztes Bundesland führt Baden-Württemberg ein eigenständiges parlamentarisches Kontrollgremium für den Geheimdienst ein. Darauf verständigten sich die vier Landtagsfraktionen am Mittwoch in Stuttgart. Zudem soll der Einsatz von V-Leuten (Vertrauensleuten) auf eine klare, gesetzliche Grundlage gestellt werden. Eine große Reform des Verfassungsschutzes selbst wird es aber bis zur Landtagswahl im März 2016 nicht mehr geben, wie Grüne und SPD bestätigten.

 

Bislang ist vor allem der Ständige Ausschuss im Landtag für die Kontrolle des Nachrichtendienstes im Land zuständig. Zudem gibt es ein sogenanntes G-10-Gremium, das vertraulich über Abhörmaßnahmen informiert wird. Das eigene Gremium für den Verfassungsschutz, das in anderen Bundesländern und im Bund schon lange üblich ist, soll alle Kontrollrechte bündeln. Zudem erhalten die Abgeordneten mehr Kontrollrechte als bisher. Die vier Fraktionen wollen das Gesetz am 29. April in den Landtag einbringen, damit das neue Kontrollgremium noch vor der Landtagswahl seine Arbeit aufnehmen kann. Wer von den vier Fraktionen den Vorsitz übernimmt, ist noch offen.

Der „Nationalsozialistische Untergrund“ (NSU) war jahrelang in Deutschland aktiv, ohne dass die Behörden auf die Spur der Rechtsterroristen kamen. Dem NSU werden zehn Morde zugerechnet, darunter an der Polizistin Michèle Kiesewetter 2007 in Heilbronn.

Die Grünen hatten ursprünglich auf eine große Reform des Geheimdienstes gepocht und Stellenstreichungen im großen Stil in Aussicht gestellt. Da wollte aber die SPD nicht mitmachen. Im laufenden Doppelhaushalt ist zwar eine Streichung von 20 Posten in der Verwaltung vorgesehen. Die Landesregierung hat aber angesichts der Gefahr durch Islamisten ein Anti-Terror-Paket geschnürrt, das rund 130 neue Stellen bei Polizei, Justiz und Verfassungsschutz vorsieht. Grünen-Innenexperte Uli Sckerl und sein SPD-Kollege Sascha Binder erklärten nun, dass es vorerst keine weiteren Reformen geben soll.

Das neue, geheim tagende Kontrollgremium mit elf Abgeordneten soll ein Recht auf Akteneinsicht und umfassende Fragerechte haben. Es soll mindestens vier Mal im Jahr tagen - jedes Mitglied kann aber auch darüber hinaus die Einberufung einer Sitzung verlangen. Innenminister Reinhold Gall (SPD), der offen für ein Kontrollgremium war, begrüßte die Pläne der vier Landtagsfraktionen. Besonders wichtig sei es auch, Regelungen zu V-Leuten ins Gesetz aufzunehmen. Dabei geht es etwa um die Frage, wann ein V-Mann nach einer eigenen Straftat „abgeschaltet“ werden muss. Dazu wollen die Abgeordneten aber erst noch prüfen, wie andere Länder mit dem Thema umgehen.