Das Parlament erweckt nicht immer den Eindruck, als wisse es, worüber es rede. Am Donnerstag war es wieder so weit. Die Gretchenfrage lautete: Was bringen Transitzonen?

Stuttgart - Transitzone? „Kein Mensch weiß, was das ist“, verkündete der SPD-Abgeordnete Nikolaos Sakellariou am Donnerstag im Landtag, und es schien so, als spräche er damit im Namen seiner Landtagskollegen. Was diese aber nicht daran hinderte, sich des Themas beherzt anzunehmen.

 

In zwei aktuellen Debatten versuchten CDU und FDP, die grün-rote Landesregierung in der Flüchtlingspolitik zu stellen. Die Freidemokraten bedienten sich dafür der Transitzonen. Hatte sich nicht bereits Innenminister Reinhold Gall (SPD) aufgeschlossen für diesen Vorschlag gezeigt? Und hatten nicht Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) und dessen Vize Nils Schmid (SPD) dagegen plädiert? Eine wunderbare Gelegenheit, einen Keil in die Regierungskoalition zu treiben.

Genuschelte Lustlosigkeit

Mit Transitzonen verbindet sich die Erwartung, Asylbewerber ohne Erfolgsaussichten und ohne Papiere noch vor der eigentlichen Einreise abweisen zu können. Auf Flughäfen funktioniert dies. Aber auf dem freien Feld, zum Beispiel zwischen Bayern und Österreich? Innenminister Gall äußerte sich dazu vor dem Parlament ebenso nichtssagend wie lustlos. Tenor seiner ins Mikrofon genuschelten Einlassungen: Es liege nichts vor, worüber man reden könne. Wenn jemand etwas vorlege, lasse er mit sich reden. Aber herauskommen werde dabei eher nichts.

Der SPD-Abgeordnete Sakellariou entwickelte trotz eingestandener Ratlosigkeit in Sachen Transitzonen immerhin noch ein paar Fragen respektive Einwände gegen ein solches Unterfangen: Eine Transitzone, so gab er zu bedenken, könne nur funktionieren, wenn sie eingezäunt sei und wie ein Haftbereich bewacht werde, und dies nicht von der Heilsarmee. Auch Hans-Ulrich Sckerl von den Grünen hielt Transitionen für wenig praktikabel. Es handle sich um eine Phantomdebatte, die nicht weiterhelfe, sondern nur die Bevölkerung verunsichere. Das klang durchaus plausibel. Aber hatte nicht zwei Tage zuvor Integrationsministerin Bilkay Öney (SPD) in Freilassing im Berchtesgadener Land einen Grenzposten der Bundespolizei besucht, der bereits ähnlich wie ein Transitzone funktioniert? Flüchtlinge, die zum Beispiel schon einmal vergeblich versuchten, Asyl zu erhalten, werden dort aussortiert und an der Einreise gehindert.

Guido Wolf läuft ins Leere

Oder hatte doch der FDP-Abgeordnete Andreas Glück Recht, der in einem gewissen Gegensatz zu seinem Fraktionschef sagte, Transitzonen seinen nichts für die bayerisch-österreichische Grenzen, sondern geeignet für die EU-Außengrenzen.

Das Thema birgt also eine Reihe von interessanten Fragen nicht zuletzt rechtlicher Natur, die aufzuarbeiten den Abgeordneten aber offenkundig zu mühsam war. Es blieb bei der Proklamation von Überschriften. Auch der FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke, der Urheber der Debatte, unterzog sich nicht der Mühe einer substanziellen Argumentation.

Anhaltende Probleme mit einer wahlkampftauglichen Aufbereitung der Flüchtlingskrise zeigte CDU-Spitzenkandidat Guido Wolf, der scharfe Töne anschlug und Kretschmann einen „grünen Ideologen“ nannte. Wolf nahm das jüngst von Bund und Ländern vereinbarte Gesetzespaket zur Beschleunigung der Asylverfahren zum Anlass, der Landesregierung einen mangelnden Umsetzungswillen vorzuwerfen. Wolf war vor allem die Umstellung von Geld- auf Sachleistungen für die Flüchtlinge wichtig. Allerdings lief der Vorstoß ins Leere, weil Integrationsministerin Öney ohne großen argumentativen Aufwand darauf hinweisen konnte, dass das Reformpaket erst seit fünf Tagen in Kraft sei, die Landesregierung also kaum im Zeitverzug sein könne. Soweit praktikabel, werde man auf Sachleistungen umsteigen.