Im Landtag fällt die CDU-Abgeordnete Kurtz bei der Wahl zur Vizepräsidentin überraschend im ersten Anlauf durch. Erst im zweiten Wahlgang schafft sie es. Die Stimmung in der grün-schwarzen Koalition ist im Keller - die Opposition wittert Morgenluft.

Stuttgart - Nach der gekippten Wahlrechtsreform belastet die ruckelige Wahl der CDU-Abgeordneten Sabine Kurtz zur Landtagsvizepräsidentin das Klima in der grün-schwarzen Koalition. Kurtz kam am Mittwoch im Parlament in Stuttgart erst im zweiten Anlauf durch. Zuvor hatte Grünen-Landeschef Oliver Hildenbrand Bedenken an der Eignung der 56-Jährigen geäußert. CDU-Politiker glauben, dass einige Grüne Kurtz ihre Zustimmung verweigert haben aus Rache dafür, dass die Reform des Landtagswahlrechts am Tag zuvor beerdigt worden war. SPD und FDP hielten der grün-schwarzen Koalition vor, nach zweijähriger Regierungszeit am Ende zu sein.

 

Hildenbrand hatte gesagt, Kurtz habe sich bei ihrer Vorstellung in der Grünen-Fraktion nicht klar von pseudowissenschaftlichen Umpolungsversuchen an Homosexuellen distanziert. „Solange Frau Kurtz nicht dazu bereit ist, sich klar und unmissverständlich von pseudowissenschaftlichen Umpolungsversuchen an Homosexuellen zu distanzieren und diese menschenfeindlichen und gefährlichen Praktiken zu verurteilen, ist sie als Landtagsvizepräsidentin ungeeignet.“ CDU-Generalsekretär Manuel Hagel sagte, der Vorwurf sei ungeheuerlich. Hildenbrand müsse sich entschuldigen.

Auch viel Kritik von der Opposition

Kurtz selbst sprach von Missverständnissen, die es offensichtlich gegeben habe. „Sie halte Homosexualität nicht für eine Krankheit“, stellte sie klar. CDU-Landtagsfraktionschef Wolfgang Reinhart warf den Grünen vor, sich im ersten Wahlgang ein schweres Foul geleistet zu haben, das sich nicht wiederholen dürfe. Bei Abstimmungen im Parlament müsse die Mehrheit von Grün-Schwarz stehen.

Grünen-Fraktionschef Andreas Schwarz räumte ein, es habe in seiner Fraktion Zweifel an Kurtz’ Eignung für das Amt der Vizepräsidentin gegeben. Das habe dazu geführt, dass einzelne Abgeordnete ihrem Gewissen gefolgt und sie zunächst nicht gewählt hätten. Schwarz geht aber davon aus, dass auch aus der CDU-Fraktion Stimmen gefehlt haben. „Nur so kann man sich das Ergebnis auch mathematisch erklären.“ Eine Krise für Grün-Schwarz sei das nicht. „Die Koalition steht.“

FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke meinte hingegen: „Von Grün-Schwarz ist nach dieser Vorstellung nichts mehr zu erwarten.“ SPD-Fraktionschef Andreas Stoch sagte: „Nach zwei Jahren steht die Landesregierung nun endgültig vor einem Trümmerhaufen. Das viel beschworene gegenseitige Vertrauen ist aufgebraucht und am Nullpunkt.“ Immer mehr Mitglieder der CDU-Fraktion sähen die Koalition mit den Grünen am Abgrund. „Vielleicht sind sie morgen schon ein Schritt weiter“, sagte Stoch mit Blick auf Spekulationen, die CDU könne irgendwann die grün-schwarze Koalition platzen lassen.

Kurtz ist als Landtagsvizepräsidentin Nachfolgerin von Wilfried Klenk

Die Regierungspartner hatte sich zuletzt wegen einer Reform des Landtagswahlrechts gestritten. Am Dienstag war der Konflikt ungelöst begraben worden - bis zur Landtagswahl 2021 wird es keine Reform mehr geben. Blockiert hatte hier die CDU-Landtagsfraktion. Kurtz könnte sich aber auch als Vorsitzende des Untersuchungsausschusses zur Zulagenaffäre an der Verwaltungshochschule in Ludwigsburg bei den Grünen unbeliebt gemacht haben. Denn in dem Gremium muss sich vor allem Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) verantworten.

Kurtz hatte als Landesvorsitzende des Evangelischen Arbeitskreises der CDU (EAK) zu grün-roten Regierungszeiten mehrfach die Rücknahme des Bildungsplans für eine Aufklärung über sexuelle Vielfalt in den Schulen verlangt - ohne Erfolg. Und sie gilt als Gegnerin der Ehe für alle. So hatte sie 2016 als Voraussetzung für Koalitionsgespräche mit den Grünen das deutliche Bekenntnis zum besonderen Schutz von Ehe und Familie gefordert. Ehe sei als Partnerschaft von Mann und Frau definiert, teilte sie im März 2016 mit. Auch die als homophob kritisierte Demo für alle beruft sich immer wieder auf Kurtz, die zudem stellvertretende Bundesvorsitzende des EAK von CDU/CSU ist.

Kurtz ist als Landtagsvizepräsidentin Nachfolgerin von Wilfried Klenk (CDU), der als Staatssekretär ins Innenministerium wechselte. SPD und AfD beantragten im Landtag, die Zahl der Vizepräsidenten auf zwei zu erhöhen. AfD-Fraktionschef Bernd Gögel meinte, ein zweiter Vizepräsident sei nötig, damit die Opposition an der Parlamentsspitze vertreten sei. Das Ansinnen erhielt aber keine Mehrheit. Im Landtag stellt die größte Fraktion den Landtagspräsidenten - die zweitgrößte Fraktion darf den Stellvertreter vorschlagen. Vor zwei Jahren war einer von ursprünglich zwei Stellvertreterposten gestrichen worden.