Bis 2020 will Baden-Württemberg die Treibhausgasemissionen um 25 Prozent, bis 2050 sogar um 90 Prozent senken. Mit der Mehrheit von Grünen, SPD und der oppositionellen CDU hat der Landtag in zweiter Lesung ein Klimaschutzgesetz beschlossen.

Stuttgart - M it breiter Mehrheit von Grünen, SPD und der oppositionellen CDU hat der Landtag am Mittwoch in Stuttgart in zweiter Lesung ein Klimaschutzgesetz (KSG BW) beschlossen. Einzig die FDP lehnte das Gesetz ab. „Das stärkt Baden-Württemberg und die Klimaschutzpolitik der Landesregierung“, sagte der Umweltminister Franz Untersteller (Grüne), zur „überwältigenden Mehrheit“. Das Gesetz sei ein „großer Schritt zu einer nachhaltigen Lebenswirklichkeit“ im Südwesten. Für Untersteller ist diese nicht alltägliche Zustimmung auch ein starkes politisches Signal aus Baden-Württemberg an die Bundesregierung, den Klimaschutz auch auf Bundesebene gesetzlich zu verankern.

 

Bei allen Planungen und Anhörungen, etwa beim Bau von Straßen, bei Verkehrskonzepten oder der Ausweisung von Windkraftstandorten, muss künftig dem Klimaschutz der gleiche Stellenwert eingeräumt werden wie etwa dem Naturschutz. Baden-Württemberg ist nach Nordrhein-Westfalen das zweite Bundesland, das dem Klimaschutz Gesetzeskraft verleiht.

Treibhausgase sollen bis 2020 um 25 Prozent gesenkt werden

Der wesentliche Inhalt des Klimaschutzgesetzes ist die verbindliche Vorgabe zur Reduzierung der in Baden-Württemberg entstehenden klimaschädlichen Treibhausgase: Diese sollen bis zum Jahr 2020 mindestens um 25 Prozent, langfristig bis 2050 um 90 Prozent gesenkt werden im Vergleich zu den Emissionen des Referenzjahres 1990. Derzeit liegt der CO2-Ausstoß im Südwesten pro Kopf bei rund 7000 Tonnen. Das ist fast doppelt so viel wie der Durchschnitt weltweit. Die Ziele seien „ambitioniert“, gestand der Umweltminister ein, aber „machbar“. Das sei seine „feste Überzeugung“. Die Energiewende spielt dabei eine besondere Rolle. Aufgeführt sind im „Klimaschutzgrundsatz“ des Paragrafen fünf insbesondere Energieeinsparung, die effiziente Bereitstellung, Umwandlung, Nutzung und Speicherung von Energie sowie der Ausbau von erneuerbaren Energien wie Sonne, Wind, Wasserkraft oder Biomasse. Der öffentlichen Hand, also dem Land, den Kommunen, Gemeindeverbänden sowie jeder aufgrund eines Landesgesetzes eingerichteten Körperschaft kommt dem Landesgesetz zufolge eine Vorbildfunktion zu, sofern die entsprechenden Aufgaben – etwa Bebauungspläne – nicht durch Bundesrecht geregelt sind. Vorgaben, wie etwa die Gemeinden ihre Vorbildfunktion erfüllen sollen, werden im Gesetz nicht getroffen. Dies bleibt ihrer „eigenen Verantwortung“ überlassen.

Bis 2015 soll der Strombedarf aus Ökostrom gedeckt werden

Die Landesregierung legt für sich selbst jedoch eine konkrete Zielmarke vor: Bis zum Jahr 2015 soll der Strombedarf der Landesliegenschaften komplett aus Ökostrom gedeckt werden. Bis 2040 soll die Landesverwaltung „weitgehend klimaneutral“ organisiert sein. Bei rund 8000 Landesliegenschaften, die mit hohem Investitionsbedarf energetisch saniert werden müssten, eine hohe Messlatte. Im Dreijahresrhythmus soll der Landtag über den Fortschritt unterrichtet werden – über die Entwicklung der CO2-Emissionen der Landesgebäude über die Art und Höhe des Strom- und Wärmeverbrauchs sowie über den Kraftstoffverbrauch bei Dienstreisen.

Derzeit liegen die jährlichen CO2-Emissionen der Landesverwaltung bei geschätzt jährlich 600 000 Jahrestonnen, das sind rund ein Prozent der landesweiten Emissionen von Treibhausgasen. Den größten Anteil daran haben die Landesgebäude mit 500 000 Tonnen, die Fahrzeugflotte der Polizei liegt bei 21 000 Tonnen. Die Mittel für die energetische Sanierung wurden bereits aufgestockt: In den Jahren 2011 und 2012 wurden 150 Millionen Euro dafür aus der Sanierungsrücklage bereitgestellt. Im Doppelhaushalt 2013/14 stehen 120 Millionen Euro für die energetische Sanierung bereit – „so viel wie noch nie“, wie der Finanzminister Nils Schmid (SPD) sagt. Dazu kommen weitere 50 Millionen Euro für ein Sonderprogramm internes Contracting für energetische Maßnahmen. Das heißt, die Energiesparmaßnahmen werden ohne externen Dienstleister vorfinanziert, die Refinanzierung erfolgt durch die Einsparung bei den Energiekosten. Das Ziel der Aufstockung: eine Sanierungsquote von zwei Prozent. Weit davon entfernt ist die Sanierungsquote bei privat genutzten Gebäuden: sie liegt zwischen 0,8 und 1,2 Prozent. Mit Förderprogrammen, Energieberatung und höheren Sanierungsstandards im Erneuerbaren Wärmegesetz, das zurzeit novelliert wird, soll die Quote gesteigert werden. In vielen Kommunen laufen Informationsprogramme für Hausbesitzer.

Die CDU lobt die gute Vorarbeit der Vorgängerregierung

Das Klimagesetz sei „ein vernünftiger Kompromiss“, sagte der CDU-Abgeordnete Ulrich Lusche, Vorsitzender des Arbeitskreises Umwelt, Klima und Energiewirtschaft. Klimaschutz sei keine Erfindung der jetzigen Landesregierung, sagte er und verwies auf die „gute Vorarbeit“ der CDU/FDP-Vorgängerregierung. Zudem sei es mit Hilfe seiner Fraktion gelungen, einige Paragrafen des Gesetzes um ein Jahr auszusetzen. Dies betrifft jene Paragrafen, die die Umsetzung vor Ort regeln. Noch bis Jahresende wird das Umweltministerium Vollzugshilfen für Kommunen und Landkreise nachreichen. CDU, Grüne und SPD stimmten diesem Änderungsantrag zu.

Das Gesetz sei zu „schwammig und unkonkret“, begründete der FDP-Abgeordnete Friedrich Bullinger die Ablehnung seiner Fraktion. Er befürchtet Nachteile für den Wirtschaftsstandort Baden-Württemberg. Er geht davon aus, dass im integrierten Energie- und Klimaschutzkonzept – ein Maßnahmenpaket, das im Herbst vorgelegt wird – die „ideologischen Daumenschrauben angelegt werden“. Untersteller sowie die Abgeordneten Daniel Renkonen (Grüne) und Johannes Stober (SPD) wiesen die Vorwürfe zurück.

Die Landesregierung erklärt in ihrem Youtubekanal das Klimaschutz-Gesetz so: