Die Kaltschnäuzigkeit, mit der die Landtagsparlamentarier in die Kasse greifen, macht fassungslos. So mästet man die Feinde der Demokratie, kommentiert Reiner Ruf.

Stuttgart - In diesen Tagen ist aus den Reihen von Grün-Schwarz immer wieder das Wort vom „Vertrauensspeck“ zu hören, den man anlegen wolle. Ministerpräsident Winfried Kretschmann sprach davon, auch CDU-Fraktionschef Wolfgang Reinhart; gemeint war damit das Binnenverhältnis in der grün-schwarzen Regierungskoalition, das im bevorstehenden Bundestagswahlkampf manchen Anfechtungen ausgesetzt sein werde. Umso mehr gelte es, vertrauensvoll miteinander umzugehen. Im Landtag demonstrieren die grün-schwarzen Regierungsfraktionen gemeinsam mit der SPD nun jedoch, wie man es anstellt, Speck anzufuttern und gleichzeitig Vertrauen zu zerstören – jenes Gut, von dem Politiker in Sonntagsreden gerne sagen, es sei die wichtigste Ressource in der Demokratie.

 

Als der Landtag 2008 die Altersversorgung der Abgeordneten von der als allzu üppig kritisierten staatlichen Alimentierung auf die Privatvorsorge umstellte, war dies als vertrauensförderndes Signal an die Wähler gedacht. Mit dem Verzicht auf die Staatspension wollten sich die Parlamentarier an die Lebenswirklichkeit der Mehrzahl der Menschen im Land annähern. „Seht her“, so lautete sinngemäß die Botschaft, „auch wir sind den Fährnissen des Lebens ausgesetzt.“

Verheerende Wirkungen

Die Abgeordneten gaben mit der Staatspension ein Privileg auf, dafür erhöhten sie ihre Grunddiät um ein Drittel und gewährten sich einen Extrabetrag für eine eigenständige Altersabsicherung in Höhe von nunmehr 1679 Euro. Damit ist der Höchstsatz in der gesetzlichen Rentenversicherung abgedeckt. Die Grunddiät beträgt derzeit 7616 Euro, viele Abgeordnete erhalten aber deutlich höhere Bezüge, weil sie innerhalb des Parlaments zusätzlich Ämter einnehmen und Funktionen bekleiden: von der Landtagspräsidentin über die Fraktionsführungen bis hin zu Arbeitskreissprechern oder Ausschussvorsitzenden.

Höhere Bezüge gegen Eigenvorsorge fürs Alter: Diesen Grundkonsens verlässt der Landtag mit der Rückkehr zur Staatspension. Konkret bedeutet dies etwa: In zwei Legislaturperioden (zehn Jahre) erwirbt ein Abgeordneter nach den Regeln der gesetzlichen Rentenversicherung einen Rentenanspruch von etwa 650 Euro, die Staatspension bietet über 1900 Euro.

Gier, Selbstsucht und soziale Entrückung

Die Wirkungen dieses Tuns sind verheerend. Die von der Lebenswirklichkeit offenkundig traumatisierten Parlamentarier entdecken plötzlich, dass die gesetzliche Rente etwas für „die anderen“ ist, sie aber verdienten Besseres. Und weil der Niedrigzins inzwischen auch die kapitalgedeckte Altersvorsorge infrage stellt, flüchten sie in den warmen Schoß des Staates. Nur kommen dann „die anderen“ womöglich auf die Idee, dass die Abgeordneten nicht die Ihren sind. So nähren die Parlamentarier in einer Mischung aus Gier, Selbstsucht und sozialer Entrückung die Politikverdrossenheit. Sie mästen die Verächter der repräsentativen Demokratie.

Dabei klingt das von den Fraktionsspitzen vorgetragene Argument hohl, es gehe um die Attraktivität des Abgeordnetenberufs. Das große Geld war in der Politik zwar noch nie zu machen, aber die Abgeordneten können sich nicht über eine schlechte materielle Ausstattung beklagen. Die einen mögen in der Privatwirtschaft Aussicht auf einen höheren Verdienst haben, andere erwirtschaften mit dem Mandat ein Einkommen, das ihnen außerhalb der Politik versagt bliebe. Wer das Abgeordnetendasein attraktiver machen will, muss dem machtpolitisch entkernten Landtag wieder zu mehr Einfluss verhelfen. Dann steigt auch das Ansehen der Abgeordneten. Selbstbereicherungsaktionen wie die jüngste bewirken das Gegenteil. Dazu kommen noch die schamlose Erhöhung der Kostenpauschale sowie die Verdoppelung der Mitarbeiterbudgets. Schon an diesem Donnerstag werden im Landtag Fakten geschaffen. Dieser Vertrauensbruch wird nachhallen.