Die Enquetekommission des Landtags zu den NSU-Umtrieben im Südwesten drohte in einem Debakel zu enden. Nun eröffnet SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel einen Ausweg. Aber war er bisher nicht immer gegen einen Untersuchungsausschuss gewesen?

Stuttgart - Die Idee, sagt SPD-Fraktionschef Claus Schmiedel, sei in der Nacht zum Freitag geboren worden. Und sie war auch dringend nötig, nachdem sich die Enquetekommission des Landtags zu den NSU-Morden heillos zerstritten hatte. In einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz schlägt Schmiedel vor, die Landtags-Enquete vorerst auf Eis zu legen und statt dessen einen Untersuchungsausschuss mit allen diesem Gremium zustehenden Rechten einzurichten.

 

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Das hatten die Grünen immer angestrebt, waren aber von der SPD gestoppt und in die Enquetekommission umgeleitet worden. Eine Kommission, die nach dem Willen der Sozialdemokraten „in die Zukunft schauen“ sollte – um unter anderem Vorschläge zu erarbeiten, wie die Gefahren des Rechtsextremismus künftig besser erkannt werden. Die Grünen wollten hingegen die Fehler der Vergangenheit aufarbeiten und schauen, was weshalb schief gelaufen war. Das aber kam Innenminister Reinhold Gall (SPD) nicht zupass, der mit der Umsetzung der Polizeireform beschäftig war und dem davor grauste, weitere Unruhe in die eigenen Reihen zu tragen.

Die unterschiedlichen Interessen hatten die Enquetekommission von Anfang gelähmt. Die Grünen als die eigentlichen Initiatoren der Aufklärung hatten keinen Plan, was sie mit dem Ausschuss anfangen wollten und fühlten sich zudem von Innenminister Gall behindert. Die anderen Fraktionen warteten erst einmal interessiert ab, was denn da auf sie zukäme. Es hätte trotzdem etwas aus der Enquete werden könnten, meint Schmiedel. Aber es habe ja niemand ahnen können, „dass das versemmelt wird“.

Die Kritik zielt in der Hauptsache auf die Grünen. Denn die stellten mit Willi Halder den Kommissionsvorsitzenden. Jedenfalls bis vergangenen Mittwoch. Da trat Halder zurück, weil er ein Gutachten des Landtags zunächst exklusiv in die eigene Fraktion eingespeist hatte. In der Expertise geht es um die Frage, welche Landesbediensteten vor den Ausschuss geladen werden können – und was diese Beamten von ihrem Wissen über die Heilbronner Mordermittlungen und die Verbindungen der NSU-Täter in den Südwesten mit Rücksicht auf die noch laufenden Ermittlungen des Generalbundesanwalts preisgeben dürfen. Halder wollte den Verstoß gegen die parlamentarischen Spielregeln zunächst nicht direkt einräumen, redete ihn jedenfalls klein – und in der Folge verneinte dann auch der Grünen-Obmann in der Kommission, Daniel Lede Abal, die Frage, ob er das Papier habe. Die CDU sprach daraufhin von Lüge und vermutete, dass die Grünen das Gutachten in ihrem Sinne verändern wollten, ehe es offiziell in die Kommission eingespeist wird. Das bestritt Hans-Ulrich Sckerl, der parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, vehement. Die CDU habe keinen Beweis für diese Behauptung. „Das ist ehrabschneidend.“ Doch die CDU hatte zuletzt damit gedroht, ihre Mitarbeit in der Enquete aufzukündigen. Der Landtag stand vor einer Blamage, die in der ganzen Republik Beachtung gefunden hätte.

Unwürdiges Gezänk

SPD-Fraktionschef Schmiedel sagt, es müsse unbedingt der Eindruck verhindert werden, dass sich „die Abgeordneten hauptsächlich mit sich selbst beschäftigen“. Er sei an einem gemeinsamen Vorgehen interessiert. Das Gezänk müsse aufhöhören. Auch sei man den NSU-Opfern und deren Angehörigen einen angemessenen Umgang mit dem Thema schuldig. Innenminister Gall werde einen Untersuchungsausschuss „nach Kräften unterstützen“, verspricht Schmiedel. Das habe der Minister zugesagt. Mit seiner Grünen-Kollegin Edith Sitzmann hat sich Schmiedel bereits vor der Pressekonferenz abgestimmt. Auch CDU-Fraktionschef Peter Hauk zeigt sich einverstanden, allerdings unter der Bedingung, dass der Untersuchungsauftrag die Frage enthalte, wie die grün-rote Landesregierung im Herbst 2011 mit der Erkenntnis umgegangen sei, dass Rechtsterroristen hinter einer Mordserie stecken. Zustimmung signalisiert ebenso der FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke.

Den Vorsitzenden des neuen Untersuchungsausschuss wird turnusgemäß die SPD stellen. Schmiedel nennt noch keinen Namen, versichert aber: „Es wird ein Vorsitzender werden, der dieser Aufgabe gewachsen ist.“ Ein letzter Seitenhieb auf den Koalitionspartner.