Wegen Vorfällen um einen AfD-Mann ist der Tunnel vom Landtag zum Abgeordnetenhaus derzeit nur selektiv zugänglich. Nun fordert die Fraktion die Öffnung – und droht der Präsidentin mit dem Gang vor Gericht.
Das Landtagsgebäude und das Haus der Abgeordneten werden in Stuttgart durch eine brutale Verkehrsschneise getrennt: Achtspurig rollen die Autos auf der Konrad-Adenauer-Straße dazwischen, nur ab und an gebremst von einer Fußgängerampel. Für die Parlamentarier und ihre Mitarbeiter gibt es daher einen langen Gang, der unter der Fahrbahn hindurchführt. „Krötentunnel“ heißt er im Landtagsjargon durchaus treffend.
Lange stand die Unterquerung, deren Wände eine Stahlskulptur des Künstlers Robert Schad schmücken, allen Politikern und deren Helfern offen. Doch seit Mitte 2023 haben nur noch Leute von Grünen und CDU Zugang, deren Büros sich im Abgeordnetenhaus befinden; die anderen Fraktionen sind an verschiedene Standorte ausgelagert. Grund der Einschränkung waren die Vorgänge um den AfD-Abgeordneten Udo Stein, dem ein Verstoß gegen das Waffengesetz vorgeworfen worden war; in seinem Büro hatte sich zudem Munition und ein Messer gefunden.
Gefahr für Leib und Leben von AfD-Leuten?
Inzwischen sind die Ermittlungen gegen Stein eingestellt, weil er wegen eines psychischen Ausnahmezustands schuldunfähig gewesen sei. Doch der Tunnel ist immer noch selektiv gesperrt, was das Präsidium zuletzt im Juni bekräftigte. Das will Steins AfD-Fraktion nun nicht länger dulden. Per Anwaltsschreiben forderte der Vorsitzende Anton Baron die Landtagspräsidentin Muhterem Aras (Grüne) auf, den Durchgang wieder freizugeben. Die Grundlage für den ersten Präsidiumsbeschluss vom Juni 2023 sei schließlich entfallen.
Gleich aus mehreren Gründen, erläutert der Jurist aus dem Berliner Umland, sehe sich die AfD-Fraktion in ihrer politischen Arbeit behindert. Gerade an Sitzungstagen sei es wichtig, schnell von einem Gebäude zum anderen zu kommen – wenn etwa Literatur aus der Bibliothek im Abgeordnetenhaus benötigt werde. Vor allem aber stelle es für die AfD-Politiker ein Sicherheitsrisiko dar, wenn sie zu dem oberirdischen Umweg gezwungen würden. Regelmäßig gingen ernst zu nehmende Drohungen bei der Fraktion ein, es bestehe eine reale „Gefahr für Leib und Leben“.
Drohung mit Verfassungsklage
Die parlamentarische Infrastruktur, argumentiert der Anwalt, müsse für alle Fraktionen gleichermaßen zugänglich sein. So habe es der baden-württembergische Verfassungsgerichtshof festgestellt. Andernfalls liege ein Verstoß gegen die Landesverfassung vor. Am Ende folgte ein Ultimatum: Werde der Tunnel nicht bis zum 11. Oktober wieder für die AfD geöffnet, ziehe man vor Gericht – und zwar gegen Aras. Der Präsidentin alleine obliege nämlich das Hausrecht, sie könne sich nicht hinter dem Präsidium verschanzen.
Die Frist ist längst abgelaufen, doch passiert ist noch nichts. Beim Verfassungsgerichtshof heißt es, in der Sache sei „bislang weder ein Verfahren anhängig gemacht noch ein entsprechender Antrag angekündigt worden“. Ein AfD-Fraktionssprecher verweist auf laufende Beratungen mit der Landtagsverwaltung; derzeit wolle man sich daher nicht äußern. Ein Landtagssprecher teilte mit, das Thema sei „in vergangenen Präsidiumssitzungen wiederholt besprochen“ worden. Auch beim nächsten Treffen werde es „im Einvernehmen aller Fraktionen wieder aufgerufen“. Da das Gremium vertraulich tage, könne man „über Inhalte der Gespräche leider keine Auskunft geben“.