Das baden-württembergische Parlament streitet über die Verzögerung bei der Gesetzgebung zum gemeinsamen Unterricht. Die Fraktionen schieben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu..

Stuttgart - Es geht nicht so schnell mit der Inklusion wie es die grün-rote Landesregierung vorhatte. Die FDP zweifelt sogar, ob es in dieser Legislaturperiode überhaupt noch etwas wird mit dem gemeinsamen Unterricht von behinderten und nichtbehinderten Schülern. In einer Landtagsdebatte wollte die FDP herausfinden, warum die Regierung das Gesetz auf das Schuljahr 2015/16 verschiebt. Timm Kern, der Bildungsexperte der Liberalen, vermutet, „das Inklusionskonzept von Grün-Rot ist gescheitert“. Vor allem die Grünen seien zu zurückhaltend mit finanzwirksamen Beschlüssen. Der Ausbau der Inklusion und der Abbau von 11 600 Lehrerstellen passen für Kern gar nicht zusammen.

 

Bei Kultusminister Andreas Stoch und Finanzminister Nils Schmid (beide SPD) beobachtet Kern bereits ähnliche Einsichten. Die Grünen jedoch würden auf den geplanten Stelleneinsparungen „sitzen wie auf einem Schatzkästlein“. Das behindere den Ausbau der Inklusion. Dabei wäre es „höchste Zeit für einen klaren und verlässlichen Rahmen für die Inklusion“, erklärte Kern. Den sollten alle Fraktionen gemeinsam „zügig und zugleich mit Augenmaß“ erstellen.

Oppositionspolitiker üben Kritik

Kern wie auch die CDU-Fachfrau Monika Stolz warnten vor großen Einschnitten bei den Sonderschulen. Kern betonte, „Eltern sollten mehr, nicht weniger Wahlmöglichkeiten bekommen“. Beide Oppositionspolitiker verwiesen auf Vorarbeiten der früheren CDU-FDP-Landesregierung. Damals wurde ein Expertenrat eingesetzt, in fünf Modellregionen werden seit drei Jahren die Empfehlungen der Fachleute erprobt. Stolz meint, unter schwarz-gelb sei der Südwesten Vorreiter in Sachen Inklusion gewesen, nun stehe das Land in der letzten Reihe.

Die Abschlussbewertung aus den Modellregionen fällt höchst unterschiedlich aus. Die Grünen vermissen realistische Bedingungen, Thomas Poreski klagte gar, es werde nicht die Inklusion, sondern die Exklusion gefördert. Klaus Käppeler (SPD) vermisst Aussagen zu Kosten.

Genaue Zahlen gibt es nicht

Genaue Zahlen gibt es nicht. Kultusminister Andreas Stoch (SPD) schätzt grob, dass bis zu 4000 Lehrerdeputate notwendig wären, wenn wie in den Modellregionen ein Viertel der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf an die Regelschulen kämen. In Klassen mit behinderten Kindern sollen nach dem Zwei-Pädagogen-Prinzip ein Sonderpädagoge und der Fachlehrer unterrichten. Woher die zusätzlichen Sonderpädagogen kommen sollen, ist eine der offenen Fragen. Die Sonderschulen sollen nicht abgeschafft werden, entkräftete Stoch frühere Befürchtungen der Opposition. Aber die Sonderschulpflicht fällt. Eltern haben dennoch nicht die freie Auswahl. Sie sollen ein qualifiziertes Wahlrecht bekommen. Das setzt eine Beratung durch Fachleute voraus. Der zieldifferente Unterricht wird gesetzlich verankert, Kinder sollen ein ihren Möglichkeiten entsprechendes Bildungsziel erreichen. Als „anachronistisch“ stuft Stoch die Regelung ein, dass Kinder, die im Rahmen der Inklusion eine Klasse besuchen, nicht zum Klassenteiler gezählt werden. Das werde geändert.

Kabinett berät im Februar

Die Eckpunkte sollen im Februar im Kabinett beraten werden. Das Gesetz allein mache aber keine Inklusion, betonte Stoch. „Ziel muss eine inklusive Grundverfassung bei allen sein.“ Schule habe eine Strahlkraft in die Gesellschaft. Angesichts der ungeklärten Finanzierung werden Befürchtungen laut, dass schlechte Rahmenbedingungen die Akzeptanz des gemeinsamen Unterrichts beeinträchtigen könnten. Das wollen alle Fraktionen verhindern.