Grün-Rot bringt ein Gesetz auf den Weg, das pflegebedürftigen Menschen neue Wohnformen außerhalb des Heimes erschließen möchte. Die Landtagsopposition hält die Vorgaben aber für zu eng. Die Plätze würden viel zu teuer und darum nicht genutzt.

Stuttgart - Der Landtag hat sich am Donnerstag von seiner sozialen Seite gezeigt. Einstimmig haben die Abgeordneten eine Enquetekommission eingesetzt. Sie soll untersuchen, wie Pflege in Baden-Württemberg „zukunftsorientiert und generationengerecht“ zu gestalten ist. Keine Einigkeit gab es bei der Beratung des grün-roten Gesetzentwurfes „für unterstützende Wohnformen, Teilhabe und Pflege“.

 

Die Sozialministerin Katrin Altpeter (SPD) machte deutlich: „Unsere Ziele sind nicht bescheiden.“ Es gelte, den Bedürfnissen der älter werdenden Menschen entgegenzukommen. „Sie wollen ihre Autonomie nicht aufgeben. Sie wollen auch im Alter oder mit Behinderungen mitten im Leben bleiben.“ Sie hätten Angst, Unabhängigkeit zu verlieren, wenn sie angesichts ihrer Hilfsbedürftigkeit Verantwortung für sich auf andere übertragen müssen.

Zum Schutz der Betroffenen

Man wolle deshalb dafür sorgen, dass sich – neben den Pflegeheimen, die auch künftig das Rückgrat der Versorgung von Pflegebedürftigen bilden – vielfältige wohnortnahe Betreuungsformen entwickeln können. Das Gesetz soll einen Rahmen schaffen, um die Lebensqualität der Betroffenen zu sichern und ihre Interessen zu schützen.

Es sei der Regierung „eine gute Antwort auf diese Aufgabenstellung gelungen“, sagte die Ministerin. Das bezweifeln freilich die Oppositionsfraktionen. Der CDU-Abgeordnete Helmut Rüeck machte das an einem Beispiel fest. Eine von dem Gesetz konkretisierte Lebensform ist die ambulant betreute Wohngemeinschaft. Dort sollen Menschen leben, die ihr Leben und die täglichen Abläufe nur teilweise allein bewältigen können. Der Gesetzgeber schreibt dazu vor, dass eine Präsentkraft zur Betreuung anwesend sein muss. Auch dürfen nicht mehr als acht Personen in der WG leben. Damit sei die Pflegekraft schon mehr als ausgelastet, so die Ministerin.

Opposition bezweifelt Wirtschaftlichkeit

Mit acht Bewohnern sei ein solches Modell aber nicht wirtschaftlich zu betreiben, sagt Rüeck. Ein Platz in einer solchen WG werde dann teurer als ein Platz in einem Pflegeheim. „Aus Kostengründen wird ein Großteil der Bevölkerung ausgeschlossen“, sagt Rüeck. Jochen Haußmann (FDP) sekundierte: „Das ist ein zutiefst unsoziales Gesetz.“ Man propagiere Vielfalt. Tatsächlich seien solche Wohnformen dann wirtschaftlich aber gar nicht lebensfähig und würden sich deswegen auch nicht entwickeln. Altpeter glaubt freilich an die ökonomische Machbarkeit solcher Wohnformen.

Der Grünen-Abgeordnete Manfred Lucha hingegen deutete an, dass man sich bis zur nächsten Beratung im Landtag die Argumente von Fachleuten nochmals anschauen werde. „Da führen wir keinen Streit um Kaisers Bart, da gibt es Kompromissmöglichkeiten“, erläuterte Lucha. Es handle sich um „ein atmendes Gesetz“.

Einstimmig für Enquetekommission

Dass Neuregelungen auf diesem Feld vonnöten seien, bestritt niemand. Unstrittig war auch das Thema Enquetekommission. Die CDU hatte den Vorschlag gemacht, ein solches Gremium einzusetzen. Die anderen Fraktionen schlossen sich an, sodass die 15 Abgeordneten – sechs von der CDU, je vier von Grünen und SPD und einer von der FDP – nun einhellig an die Arbeit geschickt wurden. Sie sollen bis Ende Januar nächsten Jahres dem Landtagsplenum ihre Erkenntnisse vorlegen.

Der Bericht soll dazu dienen, Entscheidungen des Parlaments zu unterfüttern, die auf die Sicherstellung einer qualitativ hochwertigen und auf spezielle Bedarfe zugeschnittenen Pflege abzielen. Die Kommission soll Vorschläge machen, wie die Pflegequalität auf hohem Niveau gehalten werden kann und Ziele für die Weiterentwicklung formulieren. Der Pflegebereich stehe vor großen Herausforderungen. Die Zahl der zu Pflegenden steige stark, damit auch der Personalbedarf. Dem steht aber kein ausreichend hohes Fachkräfteangebot gegenüber. Noch nicht – Strategien zur Abhilfe soll die Kommission aufzeigen.