Die Kandidaten für die Landtagswahl am 14. März können momentan nur online um Stimmen werben. Ihnen fehlt der direkte Kontakt zu den Wählern. Immerhin dürfen sie in der realen Welt jetzt auch mit ihren Plakaten auf sich aufmerksam machen.

Böblingen: Kathrin Haasis (kat)

Böblingen - Die Kandidaten gehen mit gutem Beispiel voran: Laut der Coronaverordnung dürften sie eigentlich Wahlkampf wie üblich für die Landtagswahl am 14. März mit Veranstaltungen und Infoständen machen. „Aber wir können nicht rausgehen, während alle andere zu Hause bleiben müssen“, erklärte die Landtagsabgeordnete Thekla Walker am Freitag zum Wahlkampfauftakt der Grünen im Kreis Böblingen. Daran halten sich auch ihre Konkurrenten. Bislang findet das Stimmensammeln vor allem im Internet statt – vor allem über Videokonferenzen oder live übertragene Gesprächsrunden. Zwar fehlt den Politikern der Kontakt zu den Wählern. Aber sie machen auch gute Erfahrungen mit der Digitalisierung. „Kein Wahlkampf ist so wichtig, dass irgendwer in Gefahr gebracht werden darf“, betont Florian Wahl von der SPD: „Infektionsschutz geht immer vor.“

 

Grüne sehen die Chancen

Thekla Walker hat Tage mit zwölf Stunden am Bildschirm hinter sich, einer Online-Konferenz nach der anderen. „Abends brummt der Schädel“, scherzt sie. Den Wahlkampf bezeichnet die Grüne Landtagsabgeordnete, die vor fünf Jahren das Direktmandat im Wahlkreis Böblingen errungen hat, als herausfordernd. Die Grünen hoffen – wie alle Kandidaten – dass von Mitte Februar an zumindest Infostände, schlichtweg „ein bisschen mehr mit allen gebotenen Vorsichtsmaßnahmen“, möglich sein werden.

Die digitalen Möglichkeiten sind für Thekla Walker aber auch eine Erleichterung und eine Chance. „Es ist spannend, wie wir durch die Corona-Kontaktbeschränkungen in Kontakt kommen.“ Zu ihrer nächsten Gesprächsrunde im Internet hat sie die Landtagspräsidentin Muhterem Aras eingeladen. Es geht um „Homeoffice, Kinder und Karriere“. Auch der Ministerpräsident Winfried Kretschmann besucht den Wahlkreis. Im vergangenen Jahr war er zum Bürgerdialog nach Herrenberg gekommen, „da war die Bude richtig voll“, erinnert sich Thekla Walker. Die digitalen Formate würden jedoch ebenfalls angenommen, manche erzielten mehrere tausend Klicks. Allerdings will sie die weniger digital affinen Menschen auch nicht verlieren.

CDU verlegt Auftakt nach draußen

Seinen Wahlkampfauftakt hat Matthias Miller auf den Böblinger Marktplatz verlagert. Um eine öffentliche Veranstaltung handelt es sich trotzdem nicht: Der CDU-Kandidat ließ sich am Samstag, 23. Januar, unter freiem Himmel bei der Vorstellung seiner Wahlplakate filmen, das Video wurde später ins Internet gestellt. Er wollte nicht schon wieder vor dem Computer sitzen. Beim Wahlkampf im Internet sieht Matthias Miller das Problem, dass er hauptsächlich CDU-affine Wähler erreiche. Dafür sei die Bereitschaft groß, Talkrundenteilnehmer zu finden. „Man merkt, dass es momentan viel zu bereden gibt.“ Bis zu 150 Zuschauer erreicht er pro Veranstaltung. Richtig gut ankommen wird vermutlich die Online-Konferenz mit Gesundheitsminister Jens Spahn, die ihm noch zugesichert worden ist.

Trotz der Aktivitäten im Internet hat Matthias Miller den Eindruck, dass die Landtagswahl bei den Menschen noch nicht so präsent ist. Er hofft, dass sich dieser Zustand durch die Plakatierung ändern wird. Von ihm wurden extra verschiedene Motive gedruckt, damit sich die Wähler ein besseres Bild von ihm machen können. Mit Polizisten ist er auf einem zu sehen, mit Kindern spielend oder vor einem Bücherregal.

SPD begeistert von Resonant

Florian Wahl klingt ganz begeistert, wenn er über seinen Wahlkampf im Internet berichtet. Der Böblinger SPD-Kandidat hat seit dem vergangenen Frühjahr bereits mehr als zehn Veranstaltungen durchgeführt und ist auf allen Kanälen mit unterschiedlichen Formaten aktiv. Experten aus Bundes- und Landespolitik mit Betroffenen aus dem Wahlkreis lädt er dazu ein. Die Resonanz sei gut: Bei seinem „Gastro-Gipfel“ hätten 50 Menschen teilgenommen, später wurde das Video noch von 3500 Menschen aufgerufen. „Wir erreichen dadurch deutlich mehr Menschen als wenn wir – in Nicht-Corona-Zeiten – eine solche kleine Diskussionsrunde in einem Nebenzimmer eines Restaurants machen würden“, sagt er.

Ob Infostände und Hausbesuche möglich würden, hänge von der Infektionslage ab, erklärt Florian Wahl. Um den Kontakt zu den Personen nicht zu verlieren, die nicht im Internet unterwegs sind, hat er an 100 000 Haushalte einen Fragebogen verteilt, 300 davon kamen ausgefüllt zurück. Daraus wird ein Programm für den Wahlkreis erstellt, das Anfang Februar vorgestellt wird. „Es ist schade, dass man sich nicht persönlich begegnet“, betont der Sozialdemokrat jedoch, „der Wahlkampf lebt davon.“

FDP plakatiert viel

Nach mehr als 40 Jahren in der FDP ist der Corona-Wahlkampf für Hans-Dieter Scheerer gewöhnungsbedürftig. In seinem Team konzentrieren sich Mitarbeiter ganz gezielt auf die sozialen Medien wie Facebook, Videos werden für den Internetkanal Youtube produziert. „Mir fehlt der persönliche Bezug, der Austausch“, räumt der FDP-Kandidat im Wahlkreis Herrenberg-Leonberg ein. Wahlen seien ein Stück weit emotional, eine subjektive Angelegenheit, aber bei den Videokonferenzen fehle die Stimmung und die Emotionalität. Im Februar kommt der FDP-Chef Christian Lindner. „Wir sitzen auf heißen Kohlen, ob wir es als Präsenz- oder Online-Veranstaltung machen können“, sagt Hans-Dieter Scheerer.

Eigentlich rechnen die Liberalen erst im März mit Lockerungen, dann wollen sie noch an den zwei Wochenenden vor der Wahl an Infoständen werben. Außerdem hängen seine Helfer doppelt so viele Plakate wie früher auf. Der FDP-Kandidat ist gespannt, ob der ins Internet verbannte Wahlkampf Auswirkungen auf das Wahlergebnis haben wird. Es sei nicht auszuschließen, dass die kleinen Parteien verlieren könnten. Aber immerhin sei das Politikinteresse dank Corona gewachsen. Und die Digitalisierung ist für ihn in einem Land ohne Rohstoffe ein dringend notwendiger Schritt.

Linke setzt auch auf Flyer

„Der direkte Kontakt im Straßenwahlkampf fehlt definitiv“, sagt auch Utz Mörbe von den Linken. Seit November läuft bei ihm alles online, weil ihm der Schutz der Gesundheit wichtig ist. „Jasmin und Utz auf links gedreht“ heißt beispielsweise sein Podcast, der immer rund 100 Zuhörer hat. Mit der Zahl ist Utz Mörbe eigentlich ziemlich zufrieden. Der Besuch des langjährigen Parteivorsitzenden Bernd Riexinger am 4. Februar wird live auf Facebook übertragen. Aber Utz Mörbe befürchtet, dass ein großer Teil seiner Wähler gar nicht online ist. Mit Flyern will er sie erreichen und den Plakaten. „Dann sehen uns die Leute wenigstens, wenn sie draußen unterwegs sind.“