Der CDU-Abgeordnete Winfried Klenk ist erwartungsgemäß zum neuen Landtagspräsident gewählt worden – allerdings mit einem mäßigen Ergebnis. Wer den Grund dafür erfahren möchte, muss die Frauen fragen.

Stuttgart - Als Brigitte Lösch Platz macht am Präsidententisch des Landtags, empfängt sie zwei Wangenküsschen von einem glücklichen Wilfried Klenk, dem gerade gewählten neuen Parlamentschef. Der CDU-Mann strahlt von innen. Er hat es geschafft. Vom kundigen Sozialpolitiker und, so weit überhaupt wahrgenommen, geschätzten Hinterbänkler ist er nun in die Beletage der Landespolitik gelangt.

 

2011 hatte der Mann aus Oppenweiler im Rems-Murr-Kreis schon einmal nach dem Präsidentenstuhl geschielt, war damals aber schnell wieder aus dem Rennen. Stattdessen rettete sich der frühere Finanzminister Willi Stächele nach der verlorenen Landtagswahl auf den gut dotierten Posten, den er wegen der – inzwischen eingestellten – Untreueermittlungen in Sachen EnBW-Rückkauf bald wieder räumen musste. Es folgte Guido Wolf, dessen Ehrgeiz nun aber auf das Staatsministerium zielt. So kam es, dass Klenk (55) nun schon der dritte Landtagspräsident in dieser Legislaturperiode ist. „Dieses Amt braucht jetzt Kontinuität“, sagt er vorsichtshalber in seiner Antrittsrede.

Den Präsidenten stellt immer die CDU

Doch mögen die Parlamentspräsidenten auch kommen und gehen, um mangelnde Kontinuität muss sich niemand sorgen. Immer in der Geschichte des Landes Baden-Württemberg stellte die CDU den Landtagspräsidenten. Das ist das Vorrecht der stärksten Fraktion. Und immer war es ein Mann, der die Präsidentenklingel schwang, um eifernde Abgeordnete zur Räson zu bringen. Wobei gerade Letzteres, das Mannsein, entscheidend zu Klenks mäßigem Wahlergebnis beiträgt.

Er erhält 90 von 127 abgegebenen Stimmen, knapp 71 Prozent. Und das bei einer Wahl, die traditionell im überfraktionellen Einvernehmen erfolgt. Seine Vorgänger Wolf und Stächele hatten mit 109 Stimmen deutlich besser abgeschnitten. Guido Wolf, jetzt CDU-Fraktionschef, spricht in einer Pressemitteilung dennoch von einem „sehr guten“ Wahlergebnis.

Mit fünf Neinstimmen kann Klenk leben, auch mit zehn Enthaltungen. Auf 22 Stimmzettel aber werden andere Namen geschrieben: auf einem findet sich Brigitte Lösch wieder, die Landtagsvizepräsidentin von den Grünen, auf 21 Stimmzetteln steht der Name Friedlinde Gurr-Hirsch. Das ist kein Zufall. Die frühere Staatssekretärin war Klenk in der fraktionsinternen Vorentscheidung unterlegen – was Frauen in und außerhalb der CDU auf die höchste aller Palmen brachte. Die Frauen-Union zum Beispiel warf der Fraktion vor, sie habe die „historische Chance“, eine Frau an der Parlamentsspitze zu platzieren, ungenutzt verstreichen lassen.

Wolf ohne Führungsanspruch

Für die CDU hat sich die Personalie zur Belastung entwickelt. Hatte nicht Guido Wolf, der neue starke Mann der Landespartei, bei den Frauen große Hoffnungen geweckt? Doch, das hatte er, als er zum Auftakt der Mitgliederbefragung über die Spitzenkandidatur eine für CDU-Verhältnisse prononciert emanzipatorische Haltung erkennen ließ und in Aussicht stellte, im Falle eines Erfolgs bei der Landtagswahl die Hälfte der Kabinettsposten mit Frauen zu bestücken. Doch bei der ersten Chance, Frauen zu fördern, hält sich Guido Wolf im Hintergrund.

Am Tag der Präsidentenwahl formieren sich Gewerkschafterinnen und Vertreterinnen des Landesfrauenrats zu einer Mahnwache. Gabriele Frenzer-Wolf, die stellvertretende DGB-Landesvorsitzende, spricht mit Blick auf den Landtag von „verbaler Aufgeschlossenheit bei gleichzeitiger Verhaltensstarre“. In der Frauenpolitik gehe überhaupt nichts voran. Und in der CDU-Fraktion habe sich deren Chef Wolf fein herausgehalten, als es um den Präsidentenjob ging. „Das wirft ein Schlaglicht auf seinen Führungsanspruch.“ Angelika Klingel vom Landesfrauenrat moniert, jahrelang habe es geheißen, wenn eine qualifizierte Frau zur Verfügung stünde, nähme man sie sofort. „Und jetzt hat man mit Friedline Gurr-Hirsch eine profilierte Frau, aber es geschieht wieder nichts.“ Anette Sauer von der Gewerkschaft Verdi sagt: „Wir appellieren an die Abgeordneten, ein Zeichen zu setzen.“

Drinnen im Landtag hält all dem der CDU-Abgeordnete Paul Nemeth entgegen: „Gewählt ist gewählt, das muss man akzeptieren.“ Ein anderer CDU-Abgeordneter merkt an: „Wäre der Kollege Klenk andersherum, dann wäre es ruhig, dann würde niemand etwas sagen.“ Und Wilfried Klenk sagt in seiner Antrittsrede zu all der Kritik: „So ist Demokratie – das gehört dazu.“