Am kommenden Mittwoch wird das runderneuerte Landtagsgebäude in Stuttgart wieder bezogen. Staab Architekten aus Berlin haben aus dem Baudenkmal aus den Kindertagen der Republik ein Haus für die Politik von heute gemacht
Stuttgart - Man kann das Gebäude des baden-württembergischen Landtags in Stuttgart als zweites, demonstratives Bekenntnis der Stadt zur Moderne nach der Weißenhofsiedlung betrachten. Vor dem Krieg war es um neue, zukunftsweisende Formen des Wohnens gegangen. Nach dem Krieg und der Katastrophe der NS-Zeit galt es, sich als demokratisch geläutertes Staatswesen zu zeigen, Anschluss an den Westen zu finden. Und in welchem Medium kann eine Gesellschaft ihrer Verfasstheit nach innen und außen sichtbarer Ausdruck verleihen als in ihren staatlichen Repräsentationsbauten?
Das von prominenten Bürgern, darunter Paul Bonatz, ins Spiel gebrachte Neue Schloss als Parlamentssitz des gerade aus der Taufe gehobenen Bundeslandes Baden-Württemberg verbot sich daher von selbst. Zu alt, zu absolutistisch, zu geschichtskontaminiert! Staatspomp war gestern. Die Zeichen standen auf Neuanfang, im Südwesten wie im ganzen Land. Modern sollte der Landtagsneubau darum sein, geradlinig, bescheiden – wie die ganze frischgebackene, reingewaschene deutsche Republik.
Dieses zweite Stuttgarter Bekenntnis zur Moderne musste allerdings ohne Ludwig Mies van der Rohe, den von den Nazis ins US-Exil getriebenen Spiritus rector der Weißenhofsiedlung, abgelegt werden. Aber der Entwurf des Mainzer Architekten Kurt Viertel, der dann von Horst Linde und Erwin Heinle überarbeitet und realisiert wurde, ist durch und durch aus Mies’schem Geist, seiner Architektur der Chicagoer Nachkriegszeit mit ihrer nüchternen, konstruktionsbetonten Formensprache. Stilistisch hielt mit ihm der Amerikanismus jener Jahre am Neckar Einzug, städtebaulich entsprach er mit seiner Solitärstellung im Akademiegarten ganz dem damaligen Ideal der durchgrünten Stadtlandschaft.
Erneuerungen wie diese sind die Quadratur des Kreises
Und jetzt hat dieses in die Jahre gekommene Kind der anno 1952 vermählten Südwestländer die erste Generalsanierung hinter sich. Um es vorwegzunehmen: Operation gelungen, Patient putzmunter. Von selbst versteht sich das nicht. Erneuerungen wie diese sind immer eine Quadratur des Kreises. Die Denkmalpflege beharrt gerade in Baden-Württemberg vor allem auf Erhaltung und Instandsetzung der Originalsubstanz. Die Nutzer hingegen wollen, mit dem Projektarchitekten Thomas Schmidt vom Berliner Büro Staab gesprochen, „ein denkmalgeschütztes, neues Haus“. Anders gesagt: das Parlamentsgebäude – das erste übrigens, das nach dem Krieg in Europa gebaut wurde –, soll aus jeder Ritze Alterswürde verströmen, aber technisch und energetisch heutigen Neubaustandards genügen. Mehrere erfahrene Büros hatten es in der Wettbewerbsphase darum abgelehnt, sich zur Öffnung der geschlossenen Plenarsaalwände etwas einfallen zu lassen, weil diese Forderung des Bauherrn ihrer Ansicht nach gegen die architektonische Grundidee verstieß.
Man kann das so sehen. Ein originäres Wesensmerkmal des Landtags ist das Spannungsverhältnis zwischen Extrovertiertheit und Introvertiertheit, zwischen durchsichtiger, kubischer Hülle und geschlossenem, polygonalem Kern. Die Logik des Raumplans ist daher nicht beliebig veränderbar, wenn das Konzept erhalten bleiben soll: Offene, vollverglaste Wandelhallen und von außen einsehbare Büros als Sinnbilder transparenter Entscheidungsprozesse und im Kontrast dazu die holzverkleidete, gegen äußere Einflüsse abgeschottete Schatulle des Plenarsaals, das sind die zentralen Bestandteile des Hauses, die es zum ebenso noblen wie typischen Vertreter des bundesrepublikanischen Bauens der Nachkriegsära machen.