Für eine wichtige Veranstaltung hat die Südwest-FDP einen überraschenden Hauptredner gewonnen. Welche Signale sendet das für die Landtagswahl?

Politik/Baden-Württemberg : Bärbel Krauß (luß)

Stuttgart - Ist es Weitsicht? Oder Zufall? Natürlich ist es nur Zufall, wenn auch ein vielsagender, dass das Innenministerium morgens den voraussichtlichen Termin der nächsten Landtagswahl am 14. März 2021 bekannt gibt, und wenige Stunden später dann die Einladung der Südwest-Liberalen kommt: Sie wollen am 7. März ihres früheren Außenministers und Parteivorsitzenden Klaus Kinkel gedenken, der vor einem Jahr verstorben ist.

 

Das eine hat nicht wenig mit dem anderen zu tun. Das liegt nicht nur daran, dass zwischen der Gedenkfeier für Kinkel und der nächsten Wahl nur noch ein Jahr und sieben Tage liegen und der Countdown damit als so gut wie eingeläutet gelten kann.

Kretschmann ist Hauptredner bei FDP-Veranstaltung

Außerdem stehen nicht nur Vertreter der Südwest-FDP – Landeschef Michael Theurer (Begrüßung) und der frühere Staatsminister im Außenamt Michael Link (Schlusswort) – auf der Rednerliste. Es wird dem grünen Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann zukommen, die Verdienste Kinkels als langjähriges Kabinettsmitglied der Regierung Kohl, als Vorgänger des grünen Außenministers Joschka Fischer und als Dauerschwabe im seinerzeit noch Bonner Politikbetrieb ins gebührende Licht zu rücken. Kretschmann ist der Hauptredner und Laudator, der den „herausragenden Vertreter des Südwest-Liberalismus“ belobigen wird, wie es in der Einladung heißt.

Diese Gedenkfeier ist so exponiert wie der Hohenzollern

Die Feier findet auf der Burg Hohenzollern statt und ist damit so exponiert, wie der prominente, dem Albtrauf vorgelagerte Bergkegel, auf dem die Zollernburg seit mehr als tausend Jahren thront. Übersehen kann dieses Zusammentreffen nun endgültig keiner mehr. So viel Symbolik für den wackeren Schwaben Klaus Kinkel, der bereits 1998 aus dem Regierungsamt ausschied und sich vier Jahre später auch aus dem Bundestag zurückzog? So groß die Verdienste des „Außen-Klaus“, wie er in seiner aktiven Zeit durchaus liebevoll genannt wurde, sind: Man kann nicht behaupten, dass sein erster Todestag nach einer derart hochaufgeladenen Würdigung verlangen würde.

Dass Kretschmann, der das nicht müsste, sich als Redner hat gewinnen lassen, zeugt von der Annäherung, die zwischen den Grünen und den Liberalen seit einiger Zeit im Gange sind. Es verhallt nicht ungehört, dass dass FDP-Landeschef Michael Theurer und in seinem Gefolge auch der künftige FDP-Spitzenkandidat und Landtagsfraktionschef Hans- Ulrich Rülke Grün-Gelb im Ländle mittlerweile bisweilen als Reformkoalition bezeichnen, die neben einem klassischen Bündnis zwischen FDP und CDU oder einer schwarz-rot-gelben Dreierkoalition für die Liberalen eben nicht mehr gänzlich ausgeschlossen ist – sofern es die Wahlergebnisse denn hergeben.

Eine koalitionstaktische Demonstration

Für die Südwest-FDP ist das Zugehen auf die Grünen der Erkenntnis geschuldet, dass sie im Werben um Wählerstimmen dringend eine Machtperspektive benötigt, um überhaupt eine Chance zu haben, ihre bei der Wahl dann schon zehn Jahre währende Oppositionszeit im Stuttgarter Landtag wieder zu beenden.

Kretschmann wiederum hat nicht vergessen, dass er die vorige Wahl zwar haushoch gewonnen, seinen vorherigen Regierungspartner SPD dabei aber verloren hat. Dass vor fünf Jahren trotz historischem Sieg zunächst niemand mit ihm koalieren wollte, ist ein Trauma, das der nach wie vor einzige grüne Regierungschef Deutschlands nicht vergessen haben dürfte.

Koalitionen müssen vorbereitet werden

Außerdem ist Kretschmann Realpolitiker genug um zu wissen, dass Koalitionen nicht einfach so entstehen, sondern vorbereitet werden müssen. Nach dem Ende des rot-grünen Projekts im Bund 2005 waren die Worte der damaligen Parteichefin Claudia Roth nach dem ersten schwarz-grünen Sondierungsgespräch fast schon historisch. Sie habe noch nie so lange mit dem bayerischen Ministerpräsidenten Stoiber zusammen gesessen, befand Roth, und dass damit eine „Enttabuisierung“, ja sogar eine „Entdämonisierung“ stattgefunden habe.

Ganz so fremd sind die Grünen und die FDP im Südwesten sich schon lange nicht mehr. Bei allen politischen Unterschieden wurde manche kulturelle Differenz in den vergangenen Jahren abgeschliffen. An einstmals undenkbare Koalitionen hat man sich im nie zuvor so bunt regierten Deutschland zuletzt gewöhnen können. Aber die Gedenkfeier für Klaus Kinkel auf dem Hohenzollern ist auch eine Demonstration. Man interessiert sich für- und ist nett zueinander – es könnte noch einmal nützlich werden.