Die Coronapandemie macht es den Kandidaten im Wahlkreis 6 schwer.

Leonberg - Wer in den vergangenen Wochen sonntags oder an den Abenden nichts weiter vor hatte, konnte sich landespolitisch einige Impulse holen. Denn irgend ein Talk, eine Diskussion oder ein Fachzirkel waren im Netz immer zu finden. Nicht nur Spitzenleute wie Winfried Kretschmann (Grüne), Susanne Eisenmann (CDU), Andreas Stoch (SPD) oder Hans-Ulrich Rülke (FDP) gaben sich virtuell die Klinke in die Hand.

 

Auch die Kandidaten des Leonberger Wahlkreises mit der Nummer 6 zeigten sich digital äußerst aktiv. Hans Dieter Scheerer, der FDP-Bewerber aus Weil der Stadt, lud sich kurz vor Toresschluss den Bundesvorsitzenden Christian Lindner zum launigen Video-Talk ein, um dort festzustellen, dass er, Scheerer, in Lindners Geburtsjahr (1979) in die Partei eingetreten ist. Welch ein Zufall!

Holt Sabine Kurtz sich den Wahlkreis zurück?

Sabine Kurtz, die Leonberger Landtags-Vizepräsidentin von der CDU, ist im Netz scheinbar dauerpräsent. Ob nun der Lokalveteran Günther Oettinger ihr beispringt oder sie über die Zukunft der Amateurmusik, der Sportvereine oder der Mobilität diskutiert – die Abgeordnete, die zum vierten Mal in den Landtag einziehen möchte, kämpft bis zum Schluss.

Will sie doch ihren Wahlkreis, den sie vor 15 Jahren noch mit 42,7 Prozent und fünf Jahre später immerhin mit 39,1 Prozent gewonnen hatte, wieder zurückholen. Denn bei der vergangenen Landtagswahl kehrten sich die Vorzeichen um: Bernd Murschel aus Leonberg, der schon 2011 bemerkenswerte 24,5 Prozent bekommen hatte, zog 2016 mit fast 32 Prozent an der siegesgewohnten Christdemokratin vorbei, die sich mit 27,5 Prozent begnügen musste.

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Beide lagen mit ihren Einzelresultaten knapp über den Ergebnissen ihrer Landesparteien. Murschel, der nicht zuletzt wegen seiner langjährigen Arbeit im Leonberger Gemeinderat und einer respektablen OB-Kandidatur vor zwölf Jahren, bei der er gegen Amtsinhaber Bernhard Schuler aus dem Stand fast 39 Prozent geholt hatte, tritt nicht mehr an. Und sein Nachfolge-Kandidat ist zumindest im Leonberger Teil des Wahlkreises 6 ein weitgehend unbeschriebenes Blatt.

Neuer Grüner mit guten Chancen

Peter Seimer heißt der 27-Jährige, der den nicht gerade grünentypischen Beruf des Steuerfahnders ausübt. Außer an Marktständen hat der 27-Jährige kaum Möglichkeiten, sich einem größeren Publikum unmittelbar vorzustellen. Doch die Grünen setzen auf den Rückenwind, den ihre Partei gerade landauf, landab hat und natürlich auf den Kretschmann-Faktor.

Dass das reichen könnte, den Wahlkreis abermals zu gewinnen, wird selbst in konservativen Kreisen nicht angezweifelt. Entsprechend angespannt ist die Stimmung in der CDU. Und auch das stramme Wahlprogramm der Kandidatin lässt sich so besser erklären.

Doch Peter Seimer muss nicht nur mit Konkurrenz aus der schwarzen, sondern auch der roten Ecke rechnen. Jan Hambach heißt der junge Hoffnungsträger von der SPD. Der Renninger spielt bewusst die lokale Karte – in Leonberg geboren, in Renningen zuhause – und bringt sich auch kommunalpolitisch ein. Mittlerweile ist der erst 26-Jährige sogar Chef der SPD-Fraktion im Renninger Gemeinderat und gehört dem Kreistag an.

Lokale Kompetenz bei SPD und FDP

In einer Partei, die durch den immer wieder aufflammenden Streit über Diversität, Minderheitenpolitik und einen starken Staat nicht zur Ruhe kommt, positioniert sich Hambach geschickt in der Mitte. Er debattiert mit der Reizfigur Kevin Kühnert über soziale Gerechtigkeit und die Zukunftsperspektiven junger Leute, vergrätzt das ältere Klientel aber nicht mit allzu forschen Parolen und Genderfantasien. Zudem sammelt Hambach Punkte durch seine lokale Kompetenz.

Die kann auch Hans Dieter Scheerer für sich reklamieren, der ebenfalls im Kreistag und darüber hinaus im Gemeinderat von Weil der Stadt sitzt. Der Rechtsanwalt tritt zum dritten Mal an und will die liberale Landtagstradition, die einst Heiderose Berroth aus Renningen begründete, wieder aufnehmen. Angesichts solider Werte der FDP stehen Scheerers Chancen gar nicht so schlecht. Vor fünf Jahren verfehlte er den Einzug ins Stuttgarter Parlament mit 9,5 Prozent knapp.

Schneidet die AfD erneut gut ab?

„Einen Beitrag zu einer positiven Veränderung“ will Peter Keßler leisten, der für die AfD antritt. Deshalb bräuchte es statt „links-rot-grüner-schwarzer Fantasiegebilde“ einen „starken Wirtschaftsstandort und sofortigen Stopp irrwitziger Entscheidungen auf Grundlage fehlgeleiteter Ideologien“. Der 58-Jährige selbstständige Unternehmensberater aus Herrenberg gehört dem Kreistag an und kandidiert erstmals für den Landtag. Sein Vorgänger Miguel Klauß bekam vor fünf Jahren 14,9 Prozent. Dass Keßler ebenfalls auf eine zweistellige Zahl kommt, halten Beobachter für wahrscheinlich.

Die Linke lag zumindest bisher im Wahlkreis 6 noch unter dem Landesdurchschnitt. Die Leonberger Stadträtin Gitte Hutter kam 2016 auf nur 2,2 Prozent. Ob es der einstige Kapitän zur See Robert Schacht wohl besser macht?