In Pforzheim und Mannheim-Nord jagen die AfD-Kandidaten den übrigen Parteien das Direktmandat ab. Der eine davon war Anfang der 80er Jahre noch Gründungsmitglied der Grünen – den anderen kennt fast keiner.

Pforzheim/Mannheim - Haarscharf holte Bernd Grimmer am Sonntag mit 24,2 Prozent das Direktmandat für die AfD in Pforzheim. Er errang 59 Stimmen mehr als die Kandidatin der Grünen Katrin Lechler (24,1 Prozent). Die AfD wird damit zur stärksten Kraft in Pforzheim, Grimmer wird den Wahlkreis künftig als direkt gewählter Abgeordneter im Landtag vertreten. „Damit habe ich in keiner Weise gerechnet“, sagt Grimmer einen Tag nach der Wahl. Schließlich habe die AfD eine „maßlose Schmutzkampagne“ der übrigen Parteien im Wahlkampf durchlitten: „Doch zu unserer Freude hat das wenig gewirkt.“

 

Seinen Erfolg erklärt er sich unter anderem durch seinen Bekanntheitsgrad: „Ich sitze seit mehr als 20 Jahren im Pforzheimer Gemeinderat – einst für die Grünen, später als Landesvorsitzender der Freien Wähler.“ Seit Juni 2013 ist der Wirtschaftswissenschaftler AfD-Stadtrat, mittlerweile mit zwei anderen Parteimitgliedern. „Da mich viele in der Stadt kennen, kann keiner sagen, ich sei jetzt plötzlich ein Rassist.“

Pforzheimer Oberbürgermeister ist wenig überrascht

Der Oberbürgermeister von Pforzheim Gert Hager (SPD) zeigt sich einen Tag nach der Landtagswahl erschüttert – aber wenig überrascht: „Das ist kein guter Tag für Pforzheim. Den etablierten Parteien ist es nicht gelungen, die Parolen der AfD zu entzaubern.“ Schon vorher habe er ein Ergebnis um die 20 Prozent vorausgesagt: „Leider wurde ich übertroffen.“

Auffällig ist, dass in der Vergangenheit in Pforzheim öfters Parteien, die weit rechts von der Mitte stehen, deutlich mehr Anhänger hatten als anderswo: So schafften es im Jahr 1992 die Republikaner mit 10,9 Prozent in den Stuttgarter Landtag, in Pforzheim erhielt die Partei sogar 18,5 Prozent. Die Republikaner wurden damals – ähnlich wie die AfD heute – zu einem großen Teil aus Protest gegen den Zustrom von Asylbewerbern gewählt.

Hager: „Viele Russlanddeutsche wählen die AfD“

Gert Hager hat dafür zwei Erklärungen: „Wenn ich mit Bürgern spreche, spüre ich ein diffuses Gefühl der Unsicherheit in der Migrationspolitik.“ Viele verunsicherte Menschen hätten nun ihr Kreuz bei der AfD gesetzt. Außerdem schreibt er den Russlanddeutschen in Pforzheim einen erheblichen Beitrag des Ergebnisses zu: „Die Stadtteile mit den besonders hohen AfD-Ergebnissen werden zu einem großen Teil von Menschen mit russischen Wurzeln bewohnt.“ Diese würden verstärkt radikale Parteien wählen – was sich auch etwa in Mannheim zeige.

Denn auch in Mannheims Norden, der jahrzehntelang als letzte rote Hochburg im Land galt, triumphierte am Sonntag die AfD und nahm der SPD ihr jahrzehntelang sicheres Direktmandat ab. Mit 400 Stimmen Vorsprung hat der AfD-Mann Rüdiger Klos aus Eppelheim (Rhein-Neckar-Kreis) den Sozialdemokraten Stefan Fulst-Blei hinter sich gelassen und damit eine Ära beendet. „Ich bin fassungslos, wie das passieren konnte“, sagt der im Süden der Stadt wiedergewählte Abgeordnete Wolfgang Raufelder (Grüne).

Auch der abgewählte Stefan Fulst-Blei hat auf Anhieb keine Erklärung für das Debakel seiner Partei. „Es ist in der Tat ein Riesenscheiß für uns“, sagt er ganz unverblümt. Ihm persönlich ist zwar noch ein Zweitmandat geblieben. Doch die stolze Tradition der Sozialdemokraten im Mannheimer Norden, die ist zu Ende. Abgezeichnet hat sich der Trend schon länger. Im Norden gibt es zum Teil Stadtteile, in denen in großen Wohnblocks oder älteren Mietshäusern die Zahlen der Hartz-IV-Empfänger, der alleinstehenden Mütter und der Bewohner mit Migrationshintergrund weit über dem Durchschnitt liegen. Bei vielen sind die Sorgen vor einer zunehmend unsichereren Zukunft gewachsen.

Kaum jemand kennt den Mannheimer AfD-Mann

Dass damit auch der Zuspruch für die SPD geringer geworden ist, hat sich bereits bei der OB-Wahl im Sommer 2015 gezeigt. Schon da hatten die Partei und ihr Amtsinhaber Peter Kurz größte Probleme, die Bürger zu mobilisieren. Viele von ihnen haben nun offenbar für die AfD gestimmt. Wer genau der Mann ist, für den sie dort an die Urnen gegangen sind und der die SPD aus ihrer alten Hochburg vertrieben hat, muss sich zeigen. Man kann fragen, wen man will, bis jetzt kennt offenbar kaum jemand Rüdiger Klos – nicht einmal in seiner Heimatstadt Eppelheim.

Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sagt derweil am Montag der AfD schon einmal den politischen Kampf an: „Wir werden sie im Landtag stellen, da wird sie nicht mehr so billig davonkommen wie in den Diskussionen bisher.“