Die Meinungsforscher lagen für Bayern ziemlich richtig: Die CSU verliert bei der Landtagswahl in Bayern dramatisch, die Grünen fahren dafür ein Rekordergebnis ein.

München - Da waren’s also drei. Dreimal in ihrer Nachkriegsgeschichte hat die CSU die absolute Mehrheit verloren, dreimal ist sie tief gestürzt: 1950 gleich um 24,9 Punkte, 2008 um 17,3 Punkte. Den Verlust von etwa zwölf Punkten, den Markus Söder nun einstecken muss, war sozusagen noch die mildestmögliche Katastrophe. Ein Desaster für die Partei, die sich mit dem Staat identifiziert („#miasanbayern“), ist es trotzdem. Das Wahljahr 1950 mit den 27,4 Prozent ausgenommen, war die CSU nie so weit unten. Sie bleibt zwar stimmen- und mandatsstärkste Partei; sie wird die künftige Koalition anführen, für die sie sich in Freien Wählern und Grünen wohl zwei Partner aussuchen kann. Auf jeden Fall: Es gibt eine Wechselstimmung im Land. Sie drückt sich aus in dem sensationellen Ergebnis, das die Grünen eingefahren haben.Einen weiteren Sieger gab es an diesem Sonntag: die Meinungsforscher. Recht schräg lagen sie bei den letzten Wahlen auf Bundes- und Länderebene, und die CSU hatte noch bei ihrem Wahlkampfabschluss am Freitag prophezeit, sie werde deutlich über den Vorhersagen liegen. Allein: Das Ergebnis bestätigte den Trend, der sich seit Wochen verfestigt hatte. Der besagte auch, dass die Bayern keine Alleinregierung durch die CSU mehr wollen.

 

„Jetzt gilt’s!“, hatten vor allem die Grünen aus den Umfragen geschlossen – und die Mehrheit der Bayern sah das auch so. Mit 72,5 Prozent lag die Wahlbeteiligung bei Landtagswahlen so hoch wie seit etwa 40 Jahren nicht mehr. Trotz strahlendem Ausflugswetter und Sommertemperaturen bildeten sich diesmal vor vielen Wahllokalen beträchtliche Schlangen. In der Landeshauptstadt hatten um 16 Uhr schon 62,6 Prozent der Münchner ihre vier Kreuzchen gemacht; das waren um 7,5 Prozentpunkte mehr als 2013. Auch aus Nürnberg, Augsburg, Ingolstadt und Würzburg wurde erhöhter Andrang gemeldet.

Wählern war der Kragen geplatzt

Schon die Bundestagswahl vor einem Jahr hatte Bayern viel stärker politisch mobilisiert als ihre Vorgängerin. 2017 gingen gut 7,4 Millionen wählen, das waren 807 300 mehr als 2013. Der CSU kam das gar nicht zugute. Sie erzielte mit 38,8 Prozent ihr niedrigstes Ergebnis seit 1952, und weil auch die SPD als zweite „etablierte“ Partei und als Teil der Berliner Groko verlor, ist davon auszugehen, dass die zusätzlichen Wähler sich 2017 nur deshalb zum Urnengang aufrafften, weil ihnen angesichts der bisherigen Politik – insbesondere nach der Flüchtlingswelle von 2015 – der Kragen geplatzt war. Bei den Wahlen zuvor, bei denen in Bayern „eh immer alles gleich“ blieb, hatten Protestbürger keine Chance gesehen, mal ordentlich auf den Tisch zu hauen; deshalb gingen sie gleich gar nicht wählen. Zur Bundestagswahl 2017 aber trat erstmals die propagandastarke AfD an – und die Bayern statteten sie mit den höchsten Resultaten in Westdeutschland aus.

12,4 Prozent erhielt die AfD bei der Bundestagswahl 2017 landesweit; in Niederbayern, also der Flüchtlings-Hauptstrecke von 2015 entlang, waren es knapp 20 Prozent. Dieser Trend ist nun mit der Landtagswahl deutlich gestoppt worden. Waren die Wähler trotz ihres Protestdrangs plötzlich erschrocken – Stichwort Chemnitz – von dem, was da an Rechtsextremismus womöglich auf sie zukam? So vermuten es Meinungsforscher im ersten Anlauf.

Man erwartete Historisches

Ganz neue Anforderungen hat diese Bayernwahl gestellt: Der Wahlabend im Landtag war viel schwieriger zu organisieren als bisher. Schließlich war der zentrale Verkündungs- und Bewertungsort der Wahlergebnisse mit tausend Anmeldungen aus Politik und Medien ohnehin fast ausgebucht: Man erwartete Historisches. Zweitens drängten erstmals auch zwei Parteien herein, die bisher nicht in der Volksvertretung saßen und die bis zum Wahlabend so um die Fünfprozenthürde herumtänzelten, dass ihre „Parlamentsreife“ noch gar nicht erwiesen war: FDP und Linke. Dazu kam als Neuling auch die AfD, mit der man in Bayern erst noch lernen muss umzugehen. Zuerst wollte man die drei gar nicht reinlassen – genauso wie die Landtagspräsidentin im Wahlkampf zuvor eine Podiumsdiskussion mit Vertretern auch kleiner Parteien als dem Hohen Haus unangemessen verboten hatte. Dann aber einigte man sich auf einen Kompromiss: Wem die erste Prognose ein Ergebnis von mindestens 4,7 Prozent verhieß, der durfte kurzfristig zehn Leute zum Landtagsabend entsenden.

Noch mal schwieriger, aber auf eigene Art, war das mit externen Wahlpartys: Ungeachtet der möglichen Signalwirkung hat die CSU von vornherein auf eine Party am Wahlabend verzichtet – als einzige Partei Bayerns. Bei der Bundestagswahl 2017 hatte man in die CSU-Zentrale geladen, doch schon um 18 Uhr vereisten sämtliche Mienen: Ein desaströses Wahlergebnis war da plötzlich hereingeknallt. So was wollte die CSU nicht erneut erleben.