Parteichef Riexinger und Fraktionschef Rockenbauch sollen die Partei über die Fünf-Prozent-Hürde bringen. Die Kampagne ist geprägt vom Einsatz für Benachteiligte – Migranten, Arbeitslose, Alte und Arme.

Stuttgart - Die Landtagswahl 2011 hat im Zeichen der Reaktorkatastrophe von Fukushima, des Streits um Stuttgart 21 und des unverhältnismäßigen Polizeieinsatzes im Schlossgarten gestanden. Davon profitierten die Grünen überproportional zu Lasten von CDU, SPD und FDP, während der Linkspartei diese für sie komfortable Situation kaum nutzte und sie den Sprung in den Landtag mit 2,8 Prozent verpasste. Gegen Atomkraft und mit Vehemenz gegen die Tieferlegung des Bahnhofs, verbesserte sich die Partei 2011 in Stuttgart nur um ein Zehntel Prozentpunkt auf 3,4 Prozent. Auf diesem Wert verharrt sie jetzt auch in der wahlentscheidenden Flüchtlingskrise.

 

Das Statistische Amt führt alle Parteien, die unter der Fünf-Prozent-Hürde blieben, unter „Sonstige“. Unter diesen ist die Linke 2011 die erfolgreichste Partei gewesen, auch wenn sie hinter den Ergebnissen der Gemeinderatswahl 2009 (4,5 Prozent) und der Bundestagswahl 2009 (7,8 Prozent) zurück blieb. Die Analyse der Bundestagswahl 2013 fiel trotz des Minus von 1,4 Punkten auf 6,4 Prozent positiv aus. Eine Ergebnisstabilisierung hat Wahlamtsleiter Thomas Schwarz der Partei in Stuttgart attestiert. Und: Gerade der überregionale Ergebnisvergleich unterstreiche die feste Verankerung in der hiesigen Wählerschaft. Bundesweit hatten die Linken mehr als doppelt so viele Anhänger verloren. Das Ergebnis im Wahlkreis I war mit 6,2 Prozent sogar das achtbeste in Deutschland.

Allerdings darf nicht übersehen werden, dass der Anteil der Stammwähler bei der Linken nur auf rund 19 Prozent geschätzt wird. Umso schlimmer für die Wahlkämpfer, auch bei dieser Landtagswahl gegen die Parole ankämpfen zu müssen, jede Stimme, die nicht an die Grünen ginge, nutze den Konservativen. Bernd Riexinger, Kandidat in den Neckarvororten und im Osten (WK Stuttgart IV) und als Bundesvorsitzender seiner Partei (seit 2012) auch Spitzenkandidat in Baden-Württemberg, wird nicht müde zu betonen, dass es soziale Gerechtigkeit nur mit der Linken im Parlament gebe und der Reichtum falsch verteilt sei.

Armut und Erwerbslosigkeit müssen bekämpft werden

Die Kampagne ist geprägt vom Einsatz für Benachteiligte – Migranten, Arbeitslose, Alte und Arme. Es geht dem ehemaligen Verdi-Geschäftsführer in der Region Stuttgart um gute Löhne, ordentliche Arbeitsbedingungen und einen respektvollen Umgang. Er setzt sich für Renten ein, die den Lebensstandard sicherten und dafür, dass Erwerbslose nicht ins Bodenlose fielen. Armut und Erwerbslosigkeit müssten bekämpft werden: „Hartz IV ist Armut per Gesetz.“ Riexinger fordert eine Mindestsicherung, er setzt sich für gute Löhne und Arbeitsbedingungen ein, fordert mehr bezahlbare Wohnungen, mehr Personal in Erziehung, Pflege und Gesundheit sowie bei Bildung und Erziehung sowie Ganztagesangebote, die nicht vom Geldbeutel der Eltern abhingen. Kitas sollten wie das Mittagessen kostenlos sein. Der Parteichef meint, es werde Zeit, „dass all diese Menschen wieder eine Stimme im Landtag bekommen“.

Ein gut ausgebauter öffentlicher Nahverkehr zu bezahlbaren Preisen nutze mehr als Stuttgart 21, sagt Hannes Rockenbauch, der in der Innenstadt (WK Stuttgart I) antritt – und erstmals für eine Partei. Im Falle seiner Wahl in den Landtag würde er als parteiloser Abgeordneter bei den Linken sitzen wollen. Der 35-Jährige Familienvater moniert, bei Grünen, SPD, CDU und FDP hätten immer die Autoindustrie und Investoren Vorfahrt. Es brauche „eine starke soziale und ökologische Bewegung, die auch außerparlamentarische Bündnisse stärkt“. Nur über Emanzipation und Selbstbestimmung der Menschen sei ein Leben ohne Ausbeutung von Mensch und Natur realisierbar, meint der Fraktionschef von SÖS-Linke-Plus im Gemeinderat.

Ein IG-Metaller, eine Krankenschwester

Die Kandidatin auf den Fildern (WK Stuttgart II), Johanna Tiarks, Jahrgang 1982, ist dagegen aktives Mitglied der Linkspartei. Als Gesundheits- und Krankenpflegerin wisse sie, wovon sie spreche, wenn sie ein Recht auf gute Pflege einfordere und Rahmenbedingungen, die eine würdevolle Versorgung ermöglichten. Politisch erfahrener ist der 63-jährige Reiner Hofmann (WK Stuttgart III) einzustufen, der erneut im nördlichen Wahlkreis antritt; dort hat er bei der letzten Landtagswahl 3,7 Prozent geholt. Der IG-Metaller setzt sich für Frieden und Menschlichkeit ein, internationale Sicherheit sei ihm wichtig. Er fordert „ein Zukunftsprogramm für einen sozial-ökologischen Umbau“. Stuttgart 21 gehe ganz klar zu Lasten dieses Ziels.

Die Ausgangslage der Grünen in Stuttgart bei der Landtagswahl beschreibt ebenfalls StZ-Redakteur Jörg Nauke hier, die der CDU beschreibt er hier und StZ-Redakteur Thomas Durchdenwald analysiert das Ringen der SPD hier und das der FDP hier

und Thomas Braun die AfD hier