Bei der Landtagswahl in Niedersachsen kann SPD-Chef Martin Schulz das erste Erfolgserlebnis feiern, die CDU delegiert die Verantwortung weg.

Berlin - Am Ende des Auftritts von Martin Schulz taumelt ein ergriffener Neugenosse auf die Bühne, einer von rund 30 000, die seit Januar zur Partei gestoßen sind. Peter Laws, heißt er, aus Mahlow kommt der 60-Jährige. Und Schulz lässt sich die Chance nicht entgehen, ihn höchstpersönlich aufzunehmen, worauf dieser ihn herzt, dass Schulz kaum noch Luft bekommt. Für den SPD-Chef ist der Triumph seiner Partei in Niedersachsen nach drei verlorenen Landtagswahlen und der Talfahrt im Bund das erste Erfolgserlebnis seiner noch jungen Amtszeit als Parteichef. Er dankt vor allem Ministerpräsident Stephan Weil. Was dieser geleistet habe, sei „einzigartig in der Wahlkampfgeschichte der Bundesrepublik Deutschland“.

 

Aber natürlich ist das Ergebnis auch Wasser auf seine Mühlen. Das Votum an Aller und Leine weiß er zu deuten als Signal, dass es aufwärts geht und die Entscheidung richtig war, in die Opposition zu gehen. Schulz hat frohe Kunde bitter nötig, denn eigentlich galt er nach der Bundestagswahl bei vielen Funktionären als Vorsitzender auf Abruf. Einzig der Wahlkämpfer Stephan Weil halte ihn in der Spur, hieß es unmittelbar nach der Bundestagswahl. Der Ministerpräsident hatte Schulz auch öffentlich die Treue geschworen. Nicht nur Weil wird jetzt in der SPD an Gewicht zulegen. Es wird für jene, die Schulz die Erneuerung nicht mehr zutrauen, nun kaum mehr möglich, bis zum Parteitag im Dezember auf eine Alternative hinzuarbeiten. Es sei denn, Schulz tritt aus freien Stücken beiseite. Danach sieht es aber wahrlich nicht aus. Er wirkt entschlossen, getragen von der emotionalen Unterstützung der Basis. Es ist ja auch nicht so, dass die Bewerber für seinen Job Schlange stünden. Eigentlich fällt immer nur ein Name – der des Hamburgers Olaf Scholz. Aber erstens steht Scholz, einst Generalsekretär der Agenda 2010, für vieles, nur nicht für Erneuerung. Zweitens hat er bei Vorstandswahlen stets miese Ergebnisse eingefahren. Und drittens laboriert er noch immer an den Folgen der Randale beim G-20-Gipfel. Manuela Schwesig, die Ministerpräsidentin Mecklenburg-Vorpommerns, wurde ebenfalls als mögliche Parteichefin gehandelt, hat aber bereits abgewinkt. Die 43-Jährige kann warten.

Zu eindeutig spürten die Wahlkämpfer schon den Trend gegen sich

Lange Gesichter konnten sie bei den Christdemokraten zuletzt intensiv üben. Erst fiel das Bundestagswahlergebnis mit acht verlorenen Prozentpunkten noch einmal schlechter aus als befürchtet, und dann zeichnete sich schon im Verlauf der Woche klar ab, dass ihre diesjährige Siegesserie bei den Landtagswahlen in Niedersachsen enden würde. Und obwohl Parteichefin Angela Merkel dazu aufgerufen hatte, noch einmal alle Kräfte für den Hannoveraner Spitzenkandidaten Bernd Althusmann zu mobilisieren, schrieben ihn Kanzleramt wie Konrad-Adenauer-Haus intern bereits vor dem Wahltag ab. Zu eindeutig spürten die Wahlkämpfer da schon den Trend gegen sich. Am Ende hielten sich die prozentualen Verluste in Grenzen, sie reichten jedoch, um das schlechteste CDU-Ergebnis in Niedersachsen seit 1959 einzufahren.

Führende Unionspolitiker gaben hinter den Kulissen schon lange die zu erwartende Interpretation vor, die dann am Sonntagabend, als Platz zwei amtlich wurde, CDU-Generalsekretär Peter Tauber offiziell verbreitete: „Dieses Jahr hat gezeigt, dass Landtagswahlen Landtagswahlen sind.“ Aussagen wie diese sollen sicherstellen, dass das nach der Bundestagswahl angekratzte Ansehen der Kanzlerin nicht weiteren Schaden nimmt und die Kritiker in den eigenen Reihen keinen weiteren Zulauf erhalten. Aus der erweiterten Parteispitze wagte allein Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther zu kritisieren, dass der wochenlange unionsinterne Streit nach der Bundestagswahl „nicht für Rückenwind gesorgt“ und „nicht hilfreich“ für Niedersachsen gewesen sei – freilich mehr ein verärgerter Wink zur Schwesterpartei CSU nach München.

Im Duell der Volksparteinen haben die „Kleinen“ schwach abgeschnitten

Die Parteiführung mag darauf hoffen, dass die nun beginnenden Jamaika-Sondierungsgespräche Niedersachsen vergessen machen. Verlassen kann sie sich darauf aber nicht. Die prozentual deutlich geschrumpften Grünen mögen auf einen ähnlichen Effekt hoffen. Im Duell der beiden Volksparteienvertreter Weil und Althusmann haben auch die anderen Kleinen schwach abgeschnitten. FDP und Linke erzielten deutlich schlechtere Ergebnisse als im Bund. AfD-Chef Jörg Meuthen führte das magere Abschneiden seiner Partei sogar ausdrücklich auf den Duellcharakter zurück.