Wolfram Günther (Grüne), Umweltminister in Sachsen, schildert im Interview seine Wut über den CDU-Ministerpräsidenten Michael Kretschmer.

Bisher regieren die Grünen mit in Dresden. Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) steht dort einer schwarz-rot-grünen Koalition vor. Aber im Wahlkampf setzte sich Kretschmer deutlich von den Grünen ab, die am vergangenen Sonntag nur noch haarscharf den Wiedereinzug in den Landtag schafften. Im Interview mit unserer Zeitung beschreibt Wolfram Günther (Grüne), Minister für Energie, Umwelt und Landwirtschaft in Sachsen, die Verärgerung seiner Partei über den CDU-Ministerpräsidenten.

 

Herr Günther, die Grünen-Bundesvorsitzende Ricarda Lang hat dem sächsischen Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) vorgeworfen, die Grünen in Sachsen zum Feindbild erklärt zu haben. Ist das die Ursache für Ihre Verluste von 3,5 Prozent?

Es gibt nicht die eine Ursache. Zum einen konnten wir mit unseren Themen nicht durchdringen. Aber tatsächlich hat Ministerpräsident Kretschmer uns zum Feindbild gemacht und Erzählungen von der AfD und dem rechten Rand kopiert. Statt eine inhaltliche Debatte zu führen, hat er uns Grüne, also den eigenen Koalitionspartner, verächtlich gemacht und gesagt, „mit solchen Leuten“ sei kein Staat zu machen. Das Ganze gemischt mit Falschbehauptungen. Das alles hat die demokratische Mitte in Sachsen geschwächt. CDU, Grüne, SPD: Alle haben Stimmen verloren.

Die Grünen stehen für Klimaschutz – hat das die Wähler überhaupt interessiert?

Im Wahlkampf hat der Klimaschutz in der Tat keine entscheidende Rolle gespielt. Dabei leidet Sachsen überdurchschnittlich unter Dürren, Hochwasser, Hitzewellen und dem Befall der Wälder durch Borkenkäfer.

Umso mehr ging es um die Migrationsfrage, bei der die Grünen für einen liberale Kurs bekannt sind. Hat Ihnen das geschadet?

Sachsen ist eines der Industrieländer in Deutschland mit der ältesten Bevölkerung. Unsere Wirtschaft ist dringend auf Arbeitskräfte angewiesen. Wenn der sächsische Ministerpräsident in einer solchen Situation eine Begrenzung der Zuwanderung auf jährlich 30 000 in ganz Deutschland verlangt, geht das komplett an der Realität vorbei, vor allem, wenn er dies fordert, ohne die praktische Umsetzung zu erklären. In diesem Wahlkampf haben Krieg und Frieden eine enorm große Rolle gespielt, fast so, als ob es im sächsischen Landtag entschieden würde, ob Russland seinen Angriffskrieg beendet oder nicht. Zu Landesthemen – etwa Lehrermangel oder dass unsere Wirtschaft ohne Energiewende einpacken kann – hat man nicht viel gehört.

Also eine katastrophale Stimmung bei den Sachsen-Grünen?

Das ist nicht das Ergebnis, für das wir Wahlkampf gemacht haben. Aber katastrophale Stimmung? Nein, denn wir haben viele positive Dinge angeschoben, von Energiewende und Gleichstellung bis Waldumbau. Und obwohl wir jetzt in Sachsen seit Jahren einen harten Gegenwind von Rechts spüren und gegen Verleumdungen ankämpfen, haben wir eine stabile Wählerschaft. Wir haben zwei Direktmandate – in Leipzig und in Dresden – gewinnen können. Wir haben unsere Mitgliederzahl von 2019 bis heute auf über 4 000 mehr als verdoppelt.

Wie wird es weitergehen mit einer Regierungsbildung in Sachsen? Es gibt ja wohl nur die Optionen CDU-BSW-SPD-Koalition oder eine Minderheitsregierung unter der CDU.

Ministerpräsident Kretschmer hat mit seinem Wahlkampf die Ränder gestärkt. Er steht jetzt vor einem Scherbenhaufen: er bekommt keine Mehrheit zusammen, es sei denn, er koaliert mit dem BSW. Es ist kaum auszudenken, wie eine populistische Politikerin wie Sahra Wagenknecht, die das Sprachrohr Putins in Deutschland ist, in Kabinettsentscheidungen hineinwirken würde oder schlimmer noch, in Bundesratsentscheidungen. Wagenknecht hat gemeinsam mit ihrem Ehemann Oskar Lafontaine die SPD zerstört, sie haben die Linkspartei zerstört. Michael Kretschmer muss sich entscheiden, ob er den beiden auch seine Partei ausliefern will. Und: Ob eine Koalition mit dem BSW überhaupt fünf Jahre lang halten würde, ist doch völlig offen. Wir Grünen haben viel Erfahrung als starke Opposition.