Der Landtagswahlkampf beschränkt sich auch in Stuttgart auf ein Thema: die Flüchtlingskrise. Vier Direktmandate in der Landeshauptstadt zu gewinnen, wird deshalb schwer für die CDU.

Stuttgart - Gemeinsam werden wir zeigen, dass wir die besseren Rezepte für Land und Stadt haben“, verkündete der Stuttgarter CDU-Kreisvorsitzende und Bundestagsabgeordnete Stefan Kaufmann kürzlich in seinem monatlichen Brief an die Basis. Nun gelte es zu zeigen, dass Baden-Württemberg eine bessere Regierung verdient habe als Grün-Rot und die Union „Lust auf Zukunft“ habe. Das zu vermitteln, fällt angesichts der immer schlechter werdenden Umfragewerte aber offensichtlich schwer. Sowohl im gesamten Land und erst recht in der Landeshauptstadt, wo sich die CDU bemüht, wieder eine „Großstadtpartei“ zu werden.

 

Die jüngste Forsa-Umfrage sieht die CDU im Land, gleichauf mit den Grünen, nur noch bei 30 Prozent und einem Minus von neun Punkten gegenüber 2011. Eine solche Prognose schlägt in Stuttgart noch viel stärker durch, lag die Kreispartei dort vor fünf Jahren mit 31,5 Prozent deutlich unter dem Landesergebnis. „Wir haben noch zwei Wochen“, sagt Kaufmann. Viele seien noch unschlüssig, würden aber dann doch bei der CDU ihr Kreuzchen machen. Das Interesse an den Veranstaltungen sei sehr groß.

Historisch betrachtet ist das ein Rückfall in die 60er-Jahre

Historisch betrachtet, war dieses Ergebnis ein Rückfall in die 60-er Jahre. Nur eines ist an diesem Debakel positiv gewesen: Das Minus von 5,5 Prozentpunkten ist niedriger als der durchschnittliche Verlust in allen Großstädten (minus 7,5). Das Ziel, dieses Mal alle vier Direktmandate zu gewinnen – also das im Norden zu verteidigen und die an die Grünen abgegebenen auf den Fildern, in Mitte und den Neckarvororten zurück zu erobern – betrachten Politikexperten als Herausforderung, zumal gleich drei neue, vergleichsweise unbekannte Bewerber aufgestellt sind, die sich gegen zwei grüne Minister, die Landtagsvizepräsidentin und gegen die Stimmenkönigin der Alternativpartei behaupten müssen. Es sei eher zu erwarten, dass es auch im Norden knapp werde, wo Reinhard Löffler vor fünf Jahren 6,2 Prozentpunkte vor dem Grünen-Bewerber Franz Untersteller lag. Ähnlich wie Die Linke die SPD schwächt, verhält es sich zwischen AfD und CDU. Und gerade im Norden hat Löffler mit dem ehemaligen FDPler und jetzigem AfD-Stadtrat Bernd Klingler einen starken Widerpart.

2011 lagen die Ursachen der erdrutschartigen Verluste für die damalige Atomkraftpartei CDU in erster Linie im Reaktorunfall in Japan und der Außendarstellung des damaligen Ministerpräsidenten Stefan Mappus begründet; in Stuttgart zudem am Streit um die Tieferlegung des Hauptbahnhofs. Nun gelten die Flüchtlingskrise und das Verhalten der Parteichefin Angela Merkel als neues Fukushima.

Kaufmann will Kontingente bei der Flüchtlingsaufnahme

Die Debatte bereitet Kaufmann so große Sorgen, dass er sich jetzt – wie die Spitzenkandidaten Julia Klöckner (Rheinland-Pfalz) und Guido Wolf, dessen Präsentation parteiintern umstritten ist – auch für tagesaktuelle Kontingente bei der Flüchtlingsaufnahme und Grenzzentren aussprach. Kaufmann sagt, die Kanzlerin habe einiges erreicht, über Österreich kämen kaum noch Flüchtlinge. Er bedauere, dass die Wahl zu einer bloßen Abstimmung über Flüchtlingspolitik zu werden drohe und die Versäumnisse der Landesregierung darüber zu wenig Beachtung fänden.

Dabei würden sich die vier Kandidaten am liebsten zu Sachthemen äußern. Donate Kluxen-Pyta (Wahlkreis Mitte I), etwa zur Bildung, denn darin ist sie bei der CDU Expertin. Als Mutter von sechs Kindern hat sie reichlich Schulerfahrung; sie ist in den Fachausschüssen ihrer Partei vertreten und hat am Wahlprogramm mitgeschrieben. Sie sagt, ihr Ziel seien „starke Schulen mit guter Qualität“. Die Reformen von Grün-Rot hätten zu großer Verunsicherung geführt. Die Feinstaubdebatte nutzen Stefanie Schorn (Wahlkreis Filder II) und Regionalrat Roland Schmid (Wahlkreis Neckarvorte IV), um für den Nordostring und die Hedelfinger Filderauffahrt zu werben, die aber auch im Falle eines Regierungswechsels nur schwer zu realisieren wären. Auch Schorn kritisiert die Schulpolitik von Grün-Rot, sprich: Wegfall der Grundschulempfehlung und die Aufhebung des Verbots von Gemeinschaftsschulen.

Ein Augenmerk legt die CDU, vor allem nach den Ereignissen in Köln und Stuttgart auf die innere Sicherheit. Es gebe Nachholbedarf, sagt Schmid, die CDU präsentierte einen 6-Punkte-Plan, in der sie eine höhere Polizeipräsenz und eine verstärkte Videoüberwachung fordert. Reinhard Löffler (Wahlkreis Nord III) sieht große Defizite beim Breitbandausbau.