Ministerpräsident Stefan Mappus hält den Grünen-Spitzenkandidaten Winfried Kretschmann nur für eine Marionette seiner Parteifreunde.

Stuttgart - Der Dauerkonflikt zwischen der CDU und den Grünen ist neu entflammt. Den Anlass bot eine Interviewäußerung des Ministerpräsidenten Stefan Mappus, der in der "Welt" von einer "Richtungswahl" und einer "Schicksalswahl" am 27. März gesprochen hatte und hinzufügte: "Wenn ausgerechnet Baden-Württemberg, wo niemand das erwartet hätte, nach 58 Jahren Herrn Özdemir oder Herrn Kretschmann oder wen auch immer als grünen Ministerpräsidenten hätte, wäre das ein völliger Paradigmenwechsel, der natürlich erhebliche Auswirkungen hätte auf Berlin."

Der Grünen-Bundesvorsitzende Cem Özdemir hielt dem Regierungschef daraufhin vor, er schüre "ausländerfeindliche Ressentiments". Özdemir, der sich zur Zeit in Argentinien aufhält, sagte dem ARD-Hörfunk: "Nach dem Motto: da steht ein Türke zur Wahl. Ihr wählt zwar den Kretschmann, bekommt aber dann den Deutsch-Türken Özdemir. Das ist schon perfide, was Mappus da macht." Auch die Grünen-Landeschefin Silke Krebs kritisierte den Ministerpräsidenten. Sie sprach von einem "armseligen wahltaktischen Manöver ohne jede Substanz". Mappus habe offenbar panische Angst vor dem Grünen-Spitzenkandidaten Kretschmann.

Das Verhältnis von Mappus zu Özdemir gilt als belastet, nachdem der Grünen-Politiker nach dem Polizeieinsatz im Stuttgarter Schlossgarten Ende September gesagt hatte: "Mappus wollte Blut sehen." Özdemir musste sich dafür entschuldigen.

"Bei den Grünen haben ganz andere das Sagen"


FDP-Fraktionschef Hans-Ulrich Rülke zeigte sich verwundert, dass Özdemir "allein schon die Nennung seines Namens als ausländerfeindlichen Akt" betrachte. Mappus wies den Vorwurf der ausländerfeindlichen Stimmungsmache als "unsinnig" zurück. Er habe in dem Interview etwas anderes sagen wollen: Dass nämlich bei den Grünen zuletzt ganz andere als Kretschmann das Sagen gehabt hätten. Neben Özdemir gelte dies auch für den Tübinger OB Boris Palmer, der in den Schlichtungsgesprächen zu Stuttgart 21 das große Wort geführt habe. "Kretschmann ist zwar Kandidat, aber andere ziehen die Strippen." Außerdem könnte der 62-jährige Kretschmann schon aus Altersgründen nicht lange als Ministerpräsident amtieren. "Ich würde mal sagen, dass er keine 20-jährige Amtszeit vor sich hätte."

Auf die Frage, ob er selbst 20 Jahre im Amt bleiben wolle, antwortete Mappus (44) ausweichend. Zuletzt war gestreut worden, Kretschmann sei gesundheitshalber kaum in der Lage, die Regierungsspitze zu übernehmen. Kretschmann hatte dies zurückgewiesen, Mappus verwahrte sich gegen solche Gerüchte, die er unterbinden wolle, so er deren Verursacher habhaft werde.

Zusammen mit Justizminister Ulrich Goll (FDP) stellte Mappus am Dienstag eine Bilanz der zurückliegenden CDU-FDP-Regierung vor. Besonders hob er hervor, dass Baden-Württemberg nach dem herben Rückschlag in der Wirtschaftskrise inzwischen wieder eine Wachstumslokomotive in Deutschland und in Europa sei. Das Land könne die niedrigste Arbeitslosenquote in Deutschland und die niedrigste Jugendarbeitslosigkeit in Europa vorweisen. Auch als Bildungs- und Forschungsstandort stehe der Südwesten vorbildlich da. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie sei deutlich verbessert worden. Goll sagte: "Das Land ist in erstaunlichem Maß in vielen Bereichen immer an der Spitze." Im Übrigen seien alle in der Koalitionsvereinbarung vereinbarten Projekte in Angriff genommen. Das aber ist in zumindest einer Hinsicht nicht richtig: die von der FDP-Landesvorsitzenden Birgit Homburger durchgedrückte Leistungsbezahlung für Regierungsmitglieder blieb unerledigt.