Photovoltaik liefert heute den günstigsten Strom – egal ob auf dem Dach, dem Balkon oder auf der Freifläche. Das Potenzial wird im Landkreis Ludwigsburg aber kaum ausgeschöpft. Was sagen ein Landwirt und ein Projektentwickler zu Freiflächen-PV? Wo sehen sie Chancen – und was müsste sich erst ändern?

Ludwigsburg : Anna-Sophie Kächele (ask)

Jörg Dürr-Pucher ist Projektentwickler für Erneuerbare Energien und fährt durch den Kreis Ludwigsburg, um mit Unternehmen, Kommunen, Stadtwerken und Landwirten unter anderem über Strom zu sprechen, der aus der Steckdose kommt. Genauer: wie der nachhaltig produziert wird. Mit der Kraft der Sonne und des Windes.

 

Florian Petschl tauscht sich im Bauernverband mit anderen Landwirten über Themen wie die überbordende Bürokratie, Tierhaltung und Agrardiesel aus. Auf seinem eigenen Hof kümmert er sich um seine Hühner und Schweine und sorgt dafür, dass in seinem Hofladen ganzjährig Äpfel, Kartoffeln und Zwiebeln liegen.

Beide sehen in erneuerbaren Energien die Zukunft – doch was genau sagen sie zu Solaranlagen auf Freiflächen, entlang Schnellstraßen und auf Feldern? Vier Punkte sorgen für Gesprächsbedarf.

1) Solaranlagen auf Industrieflächen

„Letztendlich gibt es jede Fläche nur einmal“, sagt Florian Petschl. Und in der Landwirtschaft gelte: Zuerst aufs Dach, bevor man an die Flächen geht. Denn im Kreis Ludwigsburg würden es Böden und Klima zulassen, dass von A wie Apfel bis Z wie Zucchini alles wachse. „Wir haben eine der fruchtbarsten Regionen, die es gibt“, sagt der Landwirt. Wäre dann nicht die Industrie stärker gefragt, bevor man an landwirtschaftliche Flächen geht, fragt sich Petschl. „Ich denke, dass Parkplätze und Dächer noch zu wenig genutzt werden“, sagt der Marbacher.

„In Summe brauchen wir in Baden-Württemberg knapp 70 Terawattstunden Strom“, sagt Jörg Dürr-Pucher. Bis 2040 möglicherweise bis zu 100 TWh, davon solle circa die Hälfte Solarstrom sein. „Da braucht es auch industrielle Flächen klar, Parkplatz-PV ist wichtig“, stimmt er zu. Man müsse aber alle Flächen prüfen – und ohne Solarparks gehe es nicht.

Jörg Dürr-Pucher arbeitet zwar mittlerweile für ein Unternehmen aus Ellwangen, kennt den Landkreis aber gut. Foto: privat

2) Landwirte miteinbeziehen

„Wir können Photovoltaik nicht verteufeln“, sagt Petschl. Im Gegenteil: Viele Landwirte würden den Bau von Solaranlagen als Chance nutzen, ihren Betrieb zukunftsfähig aufzustellen. Kaum ein landwirtschaftlicher Hof habe keine PV-Anlage auf dem Stalldach. „Wo wir etwas dagegen haben, ist wenn jemand kommt und sagt, er will eine 40 Hektar große Anlage setzen – so viel zusammenhängende Fläche gibt es kaum, und wenn doch, gehört sie in der Regel nicht einer Person.“

Diese fünf PV-Freiflächenanlagen sind im Kreis Ludwigsburg geplant. Foto: Manfred Zapletal

Stattdessen? Kleine Kooperationen mit mehreren Betrieben, schlägt Petschl vor. Bauernland in Bauernhand, damit der Landwirt selbst überwachen könne, wie die Leitungen verlegt werden und ob die Anlage rückbaubar wäre.

Auch Jörg Dürr-Pucher sieht in dem Zusammenschluss aus Landwirten ein Zukunftsmodell – in der Vergangenheit habe sich das aber häufig als schwierig erwiesen. Genau deshalb sei das Unternehmen Strom-Ernte so erfolgreich. Julian Schreder und Benjamin Boy planen kleinteilige Freiflächenanlagen, beziehen Landwirte in die Planung mit ein und beteiligen sie an den Erträgen der Stromgewinnung.

3) Bürokratie abbauen

Es ist ein Jahr her, als Landwirte auf die Straße gingen und unter anderem weniger Bürokratie forderten. Auch beim Thema Freiflächen-PV taucht das Thema auf. Florian Petschl kritisiert, dass für Solarparks Ausgleichsflächen ausgewiesen werden müssen, „obwohl auch diese Felder zu ökologischen Paradiesen werden können“. Über dem Auslauf von Hennen dürfe beispielsweise keine PV-Anlage angebracht werden, weil es sich dabei um eine unzulässige Doppelnutzung handle. „Unsere Bürokratie frisst uns auf und macht viele praktikable Lösungen zunichte“, sagt Petschl.

4) Energiemix – Sonne, Wind, Biogas

Petschl zeigt sich offen für einen Ausbau auf Freiflächen – jedoch mit Augenmaß. „Eine Windkraftanlage nimmt deutlich weniger Platz in Anspruch“, sagt er und zum Energiemix gehöre für ihn auch Biogas. Jörg Dürr-Pucher, der selbst eine Biogasanlage mit zwei Landwirten betreibt, wendet ein: „Diese Anlage produziert auf der gleichen Fläche inklusive Wärmenetz nur ein Vierzigstel der Energie, die durch eine Solaranlage erzeugt würde“, sagt er. Der Mix an Erneuerbaren Energien sei aber der richtige Weg.

Florian Petschl wünscht sich einen Energie-Mix, dazu gehört für ihn auch Biogas. Foto: Imago

Für Jörg Dürr-Pucher entscheidend: dass die Landwirte oder Flächeneigentümer sich am Solar- oder Windpark beteiligen können. Dafür nennt er ein Beispiel. Ein Schweinebauer bei Ebnat hat 30 seiner 200 Hektar an ein Energieunternehmen verpachtet und übernimmt in 20 bis 30 Jahren die Solaranlage. „Dieser Solarpark liefert dann noch mehr als 20 Jahre problemlos Strom.“ Nun müsse man gemeinsam überlegen, welche Flächen am meisten Sinn ergeben und wie viel Hektar man anpeile.

Er habe die Hoffnung, dass der Landkreis eine Strategie für den Ausbau von Wind und Sonne beschließe, bei dem nicht nur der Klimaschutz und der Energiebedarf beachtet, sondern auch Landwirte an der Wertschöpfung beteiligt werden, „sodass nicht die ökologisch hochwertigsten Flächen zugeknallt werden“, sagt Dürr-Pucher.

Zwei Sichtweisen aufs Thema

Projektentwickler
Jörg Dürr-Pucher ist Geschäftsführer von Clean Energy, ein Beratungs- und Beteiligungsunternehmen mit den Schwerpunkten Klimaschutz und regenerative Energien. Er arbeitet zwar mittlerweile für ein Unternehmen aus Ellwangen, hat aber in Marbach Abitur gemacht und den BUND Ortsverband Benningen gegründet.

Landwirt
Florian Petschl besitzt einen familienbetriebenen Hof in Marbach. Als stellvertretender Kreisvorsitzender des Bauernverband Heilbronn-Ludwigsburg setzt er sich für Wandel ein – weil er nichts von dem Spruch „Das haben wir halt schon immer so gemacht“ hält.