Das Agrarministerium und viele andere Institutionen können helfen, wenn es um den Fortbestand von Bauernhöfen geht – insbesondere dann, wenn es innerhalb der Familie keinen Erben gibt. In Baden-Württemberg gibt es derzeit noch 42.500 Betriebe.

Baden-Württemberg: Heinz Siebold (sie)

Freiburg - Für das Ministerium für Ländlichen Raum und Verbraucherschutz in Baden-Württemberg ist mehr Beratung „ein bedeutender Schlüsselfaktor für die Zukunftsfähigkeit unserer landwirtschaftlichen Familienbetriebe“, erklärte Ministerialdirektor Wolfgang Reimer vor kurzem. Dafür werde jetzt eigens ein Katalog erstellt. Ganz oben bei den Wünschen vor Ort dürfte die Beratung stehen, wie es mit dem Hof weitergehen soll.

 

Denn in sieben von zehn Höfen wissen die Eigentümer nicht, ob es eine Nachfolge geben wird. In Baden-Württemberg gibt es derzeit 42 500 Höfe, vor 14 Jahren waren es noch 61 000. Es geht kontinuierlich bergab. Eine parlamentarische Anfrage der CDU im baden-württembergischen Landtag brachte unlängst die Erkenntnis, dass nur rund sieben Prozent der Bäuerinnen und Bauern im Land jünger als 35 Jahre sind. „Das ist ein Signal, dass wir dringend junge Landwirtinnen und Landwirte brauchen“, sagte der Landtagsabgeordnete Paul Locherer (CDU).

Die Nachfolge ist in der Landwirtschaft in der Regel Familiensache. „Eine Übergabe an Familienfremde ist sehr selten“, sagt Michael Nödl, er ist Justiziar und Wirtschaftsmediator beim Badischen Landwirtschaftlichen Hauptverband (BLHV). Rund 400 Nachfolgefälle gehen jährlich über seinen Schreibtisch. Es schmerzt den Bauern, als Letzter einer langen Traditionslinie den Hof nicht an einen Nachkommen weiterreichen zu können. Da lässt man den Betrieb lieber auslaufen, verpachtet Feld und Wald und nutzt den Hof als Wohnsitz, so lange es geht.

Mitregieren über das Grundbuch

Drum sei die „präventive Vertragsmediation“ so wichtig. Das Mitregieren über das Grundbuch, also das Hinhalten der Eigentumsübertragung oder ein fortwährendes Mitregieren bis hinein in Stall und Feld ist keine gute Voraussetzung für den Neustart. Das gilt bei einer Übergabe an Fremde um so mehr. „So was braucht zwischen drei und fünf Jahren“, sagt Christian Vieth (37).

Der Sohn von „Freizeitwinzern“ aus Niederwallmenach nahe der Loreley am Rhein wollte schon als Kind Landwirt werden. Er will es immer noch, aber zunächst will der Großhandelskaufmann, der in Kassel ökologische Agrarwissenschaft studiert hat, erst anderen zu einem Hof verhelfen. Sein Projekt „Hofgründer“ bringt Landwirte, die einen Hof suchen mit solchen zusammen, die einen abgeben müssen oder wollen.

Vieths ehrgeiziges Vorhaben wird unterstützt von Akosha, dem weltweit größten Fördernetzwerk für Non-Profit-Organisationen, und es ist nicht nur eine Börse, es geht vor allem um Beratung: Über die Idee, die ein Interessent für den Hof hat. Ackerbau, Viehzucht, Spezialisierung, mehrere Standbeine? Und es geht um eigentumsrechtliche Fragen: Schenkung, Verkauf, Verpachtung? Und um das heikle Thema: Was wird mit dem Altbauern und seiner Frau und mit ihrer Altersversorgung? Und um die Frage, ob sie sich aus dem Tagesgeschäft der Neuen heraushalten oder nicht.

Fehlendes Eigenkapital ist die größte Hürde

Um diese Themen kümmert sich auch die Beratungsstelle Familie und Betrieb der Katholischen Landvolkbewegung und des Evangelischen Bauernwerks Württemberg. Die drei Einrichtungen in Neckarelz, St. Ulrich und Meßkirch sind bundes- und europaweit die ältesten ihrer Art. Erst im Oktober wurde zur Absicherung der Beratungsarbeit eine Stiftung gegründet. „Traditionell gibt man innerhalb der Familie weiter“, berichtet Eva-Maria Schüle von der Beratungsstelle in St. Ulrich nahe Freiburg. Alles andere wird äußerst skeptisch bewertet. Zumal, wenn der Interessent noch nicht einmal genug Geld mitbringt, um den Hof zu kaufen.

Fehlendes Eigenkapital ist die größte Hürde, ein Arbeitsplatz in der Landwirtschaft kostet mehr als 400 000 Euro. Aber weil die Banken zögerlich und skeptisch sind, müssen oft andere Finanzierungswege gefunden werden. Helfen kann hier die Regionalwert AG, gegründet von Landwirt Christian Hiss aus Eichstetten am Kaiserstuhl, vielfach preisgekrönt als „Social Entrepreneur“. Die Regionalwert AG sammelt und vergibt Geld für landwirtschaftliche Existenzgründer. So wie bei Joel Siegel (32). Der Obstbautechniker und frühere Sozialarbeiter suchte lange und konnte vor vier Jahren einen 20 Hektar großen Obstbaubetrieb in Norsingen südlich von Freiburg vom 82-jährigen Altbauern übernehmen – durch eine Kommanditgesellschaft, bei der die Regionalwert AG beteiligt ist.

Der junge Obstbauer ist einer von vielen, die sich durch harte Arbeit nicht von der Landwirtschaft abhalten lassen. „Da gibt es vielschichtige Motive“, sagt Eva-Maria Schüle, „manchmal ein wenig Romantik, viel Idealismus, aber meistens eine bewusste Entscheidung.“ In der Regel haben die Gründungswilligen Bezüge zum Landleben, typische Städter sind eher selten. „Die meisten Suchenden sind hoch qualifiziert, haben oft studiert und sind praxiserfahren, oft ökologisch orientiert“, sagt Vieth. Bei seiner Hofgründer-Börse sind 84 Hofangebote und 190 Hofgesuche registriert. Mit der bunt illustrierten Landliebe vom Zeitschriftenkiosk habe dieser Trend jedoch nichts zu tun. „Solche Moden kommen und gehen“, winkt Christian Vieth ab. Dass Landwirtschaft keine Romantik, sondern pure Arbeit ist, lernt man schnell. An seinem Plan, selbst einen Hof zu übernehmen hält Vieth dennoch fest, fünf oder sechs Jahre gibt er sich noch, dann will er „Dirigent“ sein – Landwirtschaft ist für ihn nämlich keine Plackerei, sondern ein Konzert mit vielen Solisten.