Die Kunden zahlen einen monatlichen Festbetrag und bekommen dafür die Ernte des regional erzeugten Gemüses: Nach diesem Prinzip names Solawi betreibt ein Biogärtner in Spiegelberg sein Geschäft. Es ist aber nicht für jeden Kunden geeignet.

Spiegelberg - Die gemeine Wiesenwanze hat Florian Keimer im vergangenen Jahr die Auberginen-Ernte gründlich verdorben: Die kleinen Krabbeltiere sind ins Gewächshaus seiner Gärtnerei Gartenleben in Großhöchberg (Rems-Murr-Kreis) vorgerückt und haben die Pflanzen so beschädigt, dass sie fast keine Früchte mehr getragen haben. Etwa fünf Kilo Jahresernte habe er erzeugt, erzählt Florian Keimer: „Normalerweise ist es ungefähr eine Tonne.“ Das wechselhafte Wetter hat ein Übriges dazu getan, dass Florian Keimer 2017 als „das bisher schlimmste Jahr, das wir von gärtnerischer Seite her hatten“ bezeichnet: Sellerie, Karotten, Rosenkohl und Rote Beete sind ziemlich mickrig gewachsen, der Blumenkohl ist wegen des frühen Herbstbeginns erst gar nicht reif geworden.

 

So funktioniert die Gemeinschaftsgetragene Landwirtschaft:

Ein Glück, dass der 38-jährige Gärtnermeister nicht alleine da steht, sondern eine Schar von sogenannten Mitgärtnern im Rücken hat, die ihm eine gewisse Unabhängigkeit verschaffen. Denn diese derzeit knapp 60 Menschen beteiligen sich an den Betriebskosten der nach Demeter-Richtlinien betriebenen Gärtnerei und bekommen im Gegenzug die Ernte, die Florian Keimer und sein vierköpfiges Team einfahren. Gemeinschaftsgetragene Landwirtschaft oder Solidarische Landwirtschaft (Solawi) heißt das Modell, bei dem sich Erzeuger und Verbraucher Erträge und Risiken teilen.

Seit 2014 testet Florian Keimer das Konzept, dieser Tage ist er wie immer am Jahresanfang damit beschäftigt, seinen Budgetplan für 2018 auszuarbeiten. Den wird er am kommenden Samstag bei der Jahresversammlung der Solawi Gartenleben Großhöchberg den Mitgärtnern – und solchen, die es werden wollen – vorstellen. Aufgrund der veranschlagten Betriebskosten errechnet Florian Keimer einen durchschnittlichen monatlichen Pro-Kopf-Beitrag als Richtwert. Im vergangenen Jahr waren dies 85 Euro. Danach geben die Mitgärtner ihre Gebote ab – und dann schlägt die Stunde der Wahrheit.

Sommergemüse im Winter – das ist in unseren Breitengraden nicht drin

Kommt die von Keimer errechnete Gesamtsumme zusammen, können die Solawi-Mitglieder zum gemütlichen Teil des Treffens übergehen. Reicht das Geld nicht aus, ist eine zweite Bieterrunde nötig, bei der jeder nach seinen finanziellen Möglichkeiten noch ein bisschen etwas drauflegt. „Man spricht einmal im Jahr über Geld, dann ist das Thema erledigt“, sagt Florian Keimer. Später, beim Verteilen der Erzeugnisse, spiele es dann keine Rolle, wieviel der Einzelne gezahlt habe: „Die Finanzierung ist komplett entkoppelt von der Ernte.“ Die Solidarische Landwirtschaft bringt so manche Aufgabe mit sich: Florian Keimer sagt, die gärtnerische Herausforderung sei da nicht die größte, sondern eher die Verteilung von Aubergine, Blumenkohl und Co.: „Dass am Ende jeder das hat, womit er zufrieden ist.“

Viel Kommunikation sei bei einer gemeinschaftsgetragenen Landwirtschaft nötig. Der 38-jährige Gärtnermeister muss den Mitgärtnern erklären, wieso es in diesem Jahr keine Auberginen gibt, warum er im Winter Lauch, Salate, Blumenkohl und vieles andere, aber kein Sommergemüse wie die beliebten Gurken, Paprika und Tomaten verteilen kann. Und er muss seinen Mitstreitern auch den ein oder anderen Wunsch abschlagen, etwa Spargel. „Das ist bei unserer Höhenlage und unserem Boden schlicht nicht realistisch.“

Bis zu 200 Menschen könnte der Biogärtner versorgen

Aber auch die Solawi-Mitglieder haben so manche Aufgabe zu meistern. „Sie müssen flexibel sein und sich mit dem anfreunden, was die Natur bringt.“ Diese Herausforderung sei einer der Hauptgründe, wieso manche Mitglieder nach einem Betriebsjahr wieder aussteigen, erzählt Florian Keimer. Ein weiterer sei, dass der Lebensstil bisweilen nicht zum Gemüseabo passe: „Wenn man die ganze Woche unterwegs ist und sich irgendwo schnell was reinschiebt, und das Gemüse vergammelt im Kühlschrank, ist das nicht sinnvoll.“

Jeden zweiten Samstag im Monat lädt Gartenleben zum freiwilligen Mithelfertag ein. Im Sommer kreuzen dort – wenig überraschend – deutlich mehr Mitglieder auf als im Winter. „Manche helfen gar nicht, manche helfen viel“, sagt Florian Keimer über seine Mitgärtner. Er nimmt das gelassen. „Wir freuen uns über die, die kommen und sind nicht traurig über die, die nicht kommen“, sagt der Gärtnermeister, dessen Arbeitstage zumindest in der wärmeren Jahreszeit oft um 6 Uhr morgens anfangen und erst gegen 21 Uhr enden.

Trotz des anstrengenden Jobs hat sich Florian Keimer vorgenommen, im frisch angebrochenen Jahr „auf Tournee zu gehen“ und noch mehr Mitglieder für seine Solawi zu gewinnen. Bis zu 200 Menschen könnte er versorgen – und selbst noch etwas unabhängiger werden von Subventionen und Vorgaben. „Mein Ziel wäre es, auf keine Zuschüsse mehr angewiesen zu sein.“