In der Umgebung des Gelben Flusses gackerten bereits vor rund 10 000 Jahren die Vorfahren unserer Haushühner. Das haben genetische Analysen von dort gefundenen Geflügelknochen ergeben. Offenbar haben die Menschen dort schon so früh Hühner gehalten.

Stuttgart - Hühner gackerten bis vor wenigen Jahrzehnten auf nahezu allen Bauernhöfen der Welt. Und das bereits seit mehr als zehntausend Jahren, berichten Michael Hofreiter von der Universität in Potsdam und seine chinesischen Kollegen um Xingbo Zhao von der Agrarwissenschaftlichen Universität in Peking in der Zeitschrift „PNAS“. Menschen züchten das Federvieh demnach bereits ähnlich lange wie die vier anderen wichtigen Nutztiere Schweine, Rinder, Ziegen und Schafe. Zusätzlich entlarven die Forscher den Norden Chinas als einen wichtigen Brennpunkt, an dem Bauern schon sehr früh Getreide und andere Feldfrüchte anbauten und zudem Tiere hielten.

 

Genau dort, also in der weiteren Umgebung des Gelben Flusses in den nördlicheren Regionen Chinas, waren in vier Gebieten Geflügelknochen gefunden worden, die nach den Analysen der Forscher an einer Fundstelle rund 10 400 Jahre alt waren. Dieses Geflügel lebte mithin genau zu der Zeit, als die Steinzeitmenschen begannen, Getreide nicht nur zu sammeln, sondern selbst anzubauen und Tiere nicht nur zu jagen, sondern eigene Herden zu halten. In der Region vom heutigen Iran über den Irak und die Türkei bis nach Syrien hatten Forscher solche Ursprünge der Landwirtschaft längst nachgewiesen. Das noch heute in Südostasien und Indien in der Natur lebende Bankiva-Huhn war bereits als Ahne der heutigen Haushühner identifiziert. Irgendwo am Fluss Indus oder in Südostasien sollte dieses wilde Huhn zum Nutztier geworden sein, lautet die gängige Lehrmeinung. Die nördlichen Regionen Chinas hatte dagegen niemand so recht im Visier.

Genanalyse: eindeutig Hühnerknochen

Aber stammten die dort gefundenen Geflügelknochen überhaupt von Hühnern oder ihren Vorfahren? „Sie unterschieden sich schließlich kaum von den entsprechenden Knochen eines Fasans“, erklärt Michael Hofreiter. Eindeutig identifizieren lassen sich die Relikte daher nur, wenn man ihr Erbgut untersucht. Auf die Analyse solcher alter DNA von Tieren aber hat sich der Potsdamer Forscher spezialisiert.

Leider steckt in jeder Zelle eines Organismus relativ wenig Erbgut aus dem Zellkern, aber relativ viel DNA aus den Mitochondrien genannten Minikraftwerken dieser Zellen. Daher haben die Forscher diese sogenannte mDNA unter die Lupe genommen. „Diese Analysen zeigen, dass es sich um Knochen des Haushuhns handelt“, ist sich Michael Hofreiter sicher. In heute lebenden Hühnern unterscheiden Forscher fünf Hauptgruppen im Erbgut der Mitochondrien, die sie als „Haplogruppen“ bezeichnen. Zwei der drei wichtigsten Haplogruppen finden Hofreiter und seine chinesischen Kollegen auch in den 10 400 Jahre alten Knochen, die dritte wichtige Variante entdecken sie in einem etwas jüngeren Knochen. Damit aber scheint klar, dass die damals im Norden Chinas gackernden Hühner zu den Ahnen der heutigen Haushühner oder ihrer nahen Verwandtschaft gehören. Das passt gut zu anderen Spuren der steinzeitlichen Landwirtschaft, die ebenfalls im Norden Chinas entdeckt wurden. So stammt aus der gleichen Region auch das älteste bisher gefundene Hirse-Getreide. „Damals bauten die Bauern im Norden Chinas also offensichtlich bereits Getreide an und hielten Hühner“, erläutert Hofreiter. Zur gleichen Zeit, in der die Menschen im heutigen Nahen und Mittleren Osten mit einer solchen gemischten Landwirtschaft begannen, kamen offenbar auch die Steinzeitchinesen im Norden des Landes auf dieselbe Idee.

Erbgut aus Haushuhn und anderen Hühnerarten

Auch das hatte bisher niemand vermutet, weil diese Regionen eigentlich zu kalt für das Bankiva-Huhn sind, das in den feuchtwarmen Regenwäldern Südostasiens lebt. „Vor zehntausend Jahren aber war es dort viel wärmer und feuchter als heute und es wuchsen dichte Wälder“, entkräftet Xingbo Zhao dieses Argument. Der Forscher schließt das aus den Fossilien tropischer Tiere und Pflanzen, die zur gleichen Zeit wie die Urhaushühner in dieser Region lebten. Das Bankiva-Huhn könnte damals also gut im heutigen Norden Chinas gelebt haben und dort als Eier- und Fleischlieferant gezüchtet worden sein.

In der mDNA der heutigen Haushühner aber finden sich auch Spuren anderer Hühnerarten. Da das Erbgut der Mitochondrien immer nur von der Mutter an ihre Küken vererbt wird, müssen daher auch Hennen anderer Arten in die Hühnerzucht mit hineingespielt haben. Der Blick in das alte Erbgut entlarvt also den Norden Chinas als weiteren Brennpunkt, an dem sich parallel zu anderen Regionen Jäger und Sammler zu Bauern und Hirten wandelten.