BfH-Ratsherr zur Diskussion um Pestizide: Von einer heilen Welt vor Ort kann nicht die Rede sein.

Heimsheim - Mit ihrem Wunsch nach einer sachlichen Diskussion und gemeinsamen Gesprächen treffen die Heimsheimer Landwirte bei den Bürgern für Heimsheim auf offene Türen, sagt der Gemeinderat Martin Häcker (BfH), der zugleich Vorsitzender der BUND-Ortsgruppe Heckengäu ist. Vorwürfe aus den Reihen der BfH im Vorfeld möchte er in jedem Fall relativieren – gleichzeitig aber auch einige Argumente von Landwirt Philipp Rüth, der sich gegen die Behauptungen zur Wehr gesetzt hatte.

 

Im Raum standen unter anderem Aussagen, wonach nicht näher genannte Landwirte zu häufig und zu starke Pestizide verwenden würden. Dagegen wehrte sich Rüth im Namen aller Bauern und betonte zudem, dass die Landwirtschaft in Heimsheim viel für Umwelt und Artenvielfalt tue. Angestoßen wurde die ganze Debatte ursprünglich durch einen Beschluss im Gemeinderat, wonach landwirtschaftliche Flächen, die der Stadt gehören, fortan nur noch pestizidfrei bewirtschaftet werden dürfen. Es geht dabei um etwa fünf Hektar Fläche.

„Wir brauchen die Landwirte“

Dass in Heimsheim angeblich unsachgemäß Pestizide ausgebracht werden, glaubt Häcker nicht. Und keinesfalls gehe es den BfH um eine generelle Kritik an der Landwirtschaft. „Wir brauchen die Landwirte.“ Trotzdem hält er es für falsch, zu behaupten, dass auf Heimsheims Äckern eine heile Welt herrsche. „Wenn Herr Rüth sagt, dass 65 Prozent der landwirtschaftlichen Flächen bei uns pestizidfrei sind, weckt das ein falsches Bild“, findet Martin Häcker. Denn die Aussage bezieht sich auf die Gesamtfläche, dazu gehören also auch Blühflächen und Wiesen, für die es spezielle Subventionen gibt. „Bei den Ackerflächen sieht die Quote ganz anders aus.“ Insbesondere dann, wenn man den Biobetrieb von Eugen Gommel aus der Berechnung herausnehme.

Auch Rüths These, dass man die Weltbevölkerung nur durch den Einsatz konventioneller Landwirtschaft ernähren könne, vertritt Häcker nicht. „Elf Millionen Tonnen Lebensmittel werden jährlich allein in Deutschland weggeworfen“, beklagt er. Nimmt man andere reiche Länder mit dazu, „könnte man davon die gesamte hungernde Weltbevölkerung mehrfach ernähren“.

Dahingehend richtet sich seine Kritik aber nicht an die örtlichen Landwirte. „Man kann ihnen keine Vorwürfe machen, wenn sie Pestizide einsetzen, das Problem steckt im System“, so Häcker. Traurig genug, dass ein Landwirt ohne Subventionen von seiner Arbeit heute überhaupt nicht mehr leben könne. Dass die EU aber die Höhe ihrer Zuschüsse in großen Teilen allein nach der Ackerfläche eines Bauern bemisst – nicht danach, ob er ökologisch oder konventionell arbeitet –, sei ein immenses Problem. „Ich habe daher viel Verständnis für unsere Landwirte. Aber zu sagen, bei uns sei noch alles in Ordnung, das ist so nicht richtig.“

Artensterben infolge von Pestiziden

Selbst im beschaulichen Heimsheim seien durch den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln und Ähnlichem in den vergangenen 20 Jahren schon ganze Vogelarten verschwunden, sagt der Ratsherr. Vom Arten- und Insektensterben deutschlandweit ganz zu schweigen. Eine große Zahl an Grundwasserquellen habe mittlerweile zu hohe Nitratbelastungen infolge von Pestiziden, hinzu komme die Bodenerosion. „In Zukunft haben wir nur eine Chance, wenn wir wegkommen von den Spritzmitteln.“

Einen Anfang wollten die Bürger für Heimsheim mit ihrem Antrag machen, die Stadt in eine pestizidfreie Kommune zu verwandeln. Das heißt: Auf allen kommunalen Flächen dürfen keine Spritzmittel mehr verwendet werden. Und das betrifft eben auch die derzeit landwirtschaftlich genutzten Flächen. „Dass wir diesen Weg gemeinsam mit den Landwirten gehen wollen, ist klar“, betont Martin Häcker und wünscht sich ebenfalls einen Austausch mit den Betroffenen. Kritik am Beschluss selbst lässt er aber nicht gelten. „Der Stadt muss es erlaubt sein, über ihre eigenen Flächen zu entscheiden.“

Zumal Heimsheim mit Blick auf das eigene „Öko-Konto“ bislang nicht viel vorzuweisen hat. Als das Gewerbegebiet Egelsee angelegt wurde, hatte die Stadt keine Möglichkeiten, einen ökologischen Ausgleich mit eigenen Flächen zu schaffen. Sie musste sich „freikaufen“. Mit mehr Blühflächen infolge des Beschlusses bekäme die Stadt auch wieder mehr sogenannte Öko-Punkte, erinnert Häcker.