Wenn Neubaugebiete erschlossen werden, müssen die Bauern doppelt bluten.

Weil der Stadt - Weil der Stadt ist von Wiesen, Wäldern und Feldern umgeben. Und durch eben solche geht es, wenn sich die Landwirte der Stadt einmal im Jahr aufmachen, um mit einigen Gemeinderäten und Vertretern der Stadtverwaltung ihr Wohlergehen zu besprechen.

 

Organisiert haben die Fahrt in diesem Jahr die beiden Ortsobmänner Johannes Schindele (Merklingen) und Waldemar Bär (Hausen). Gleich am Anfang betonen sie, was ihnen – neben dem Dauerbrenner Wetter – am Herzen liegt. 1122 Hektar Ackerland gibt es in Weil der Stadt. „Jeder Mensch braucht etwa 0,1 Hektar, um seinen jährlichen Energiebedarf zu decken“, erklärt Schindele. Die Weiler Flächen reichen also gerade mal für 11 220 Menschen – aber lange nicht für alle fast 20 000 Einwohner der Stadt.

Schindeles Einwurf hat natürlich einen aktuellen Anlass. Die Stadtpolitik plant derzeit kräftig an der baulichen Erweiterung der Stadt. Die Erschließung der 2,8 Hektar des Neubaugebiets Schwarzwaldstraße in Merklingen beginnt demnächst, anschließend sind die zehn Hektar im Weil der Städter Häugern dran.

„Wir können uns nicht immer nur in die Fläche vergrößern“, sagt Waldemar Bär. „Denn irgendwann sind alle Flächen weg.“ Was das Problem noch verschärft, ist der Naturschutz. Denn, um den Eingriff der Neubaugebiete auszugleichen, muss die Stadtverwaltung Biotope anlegen – und damit gehen der Landwirtschaft weitere Flächen verloren. „Es ist schade, dass landwirtschaftliche Flächen nicht den gleichen Schutz genießen, wie zum Beispiel der Wald“, findet der Merklinger Johannes Schindele. „Wir verlieren Flächen, und können nichts dagegen tun.“

Und die Mär, dass sich Bauern eine goldene Nase verdienen, wenn ihre Felder Bauland werden, stimme schon lange nicht mehr, sagt Yvonne Bäuerle. Sie leitet seit Oktober das Amt für Landwirtschaft und Naturschutz im Landratsamt und ist zum ersten Mal nach Weil der Stadt gekommen. Sie weiß um die Probleme der Landwirte. „Zwei Drittel der landwirtschaftlichen Flächen sind verpachtet“, berichtet die Agraringenieurin. Wenn ein Neubaugebiet kommt, verlieren die Bauern die Flächen ohne Ausgleich.

Ansonsten zeigt sich Yvonne Bäuerle aber begeistert von den Wiesen und Feldern in Weil der Stadt. „Das sind hier engagierte Landwirte, die sich einsetzen“, stellt sie fest, „die Kulturen stehen gut da“. Der Anhänger-Tross mit den Landwirten und den Kommunalpolitikern kommt zum Beispiel an einem Leinfeld von Johannes Schindele vorbei. „Das ist eine Kultur mit sehr viel Potenzial“, berichtet er. 1,8 Tonnen Lein hat er im vergangenen Jahr geerntet und ist sehr zufrieden.

Lob gibt es auch für den Soja von Waldemar Bär. „Das ist der schönste Bestand, den ich bislang gesehen habe“, sagt Simon Metz, der Pflanzenschutzberater des Landratsamts Böblingen. Auf den Feldern zwischen Merklingen und Hausen, entlang der Würm, entdeckt Metz noch was Besonderes. „Die Kornblumen im Weizen sind sehr schön“, sagt der Pflanzenexperte. Beim Landratsamt laufen derzeit Versuche, wie solche Blumen besser in die Felder integriert werden können, ohne vom Spritzen vertrieben zu werden.

Überhaupt sei der Zustand der Pflanzen auf den Feldern zurzeit sehr gut. „Das war bislang ein sehr gesundes Jahr“, weiß Simon Metz. Das Wetter war gut für die Natur. „Jetzt brauchen wir noch einmal einen richtigen Landregen mit 20 Litern – dann kann das Korn seine Frucht richtig ausfüllen.“