Indianerböden können die Landwirtschaft revolutionieren – glauben einige Wissenschaftler an der Uni Hohenheim. Die Ergebnisse der Experimente sehen nicht nur vielversprechend, sondern auch schmackhaft aus.

Digital Desk: Sascha Maier (sma)

Hohenheim - Die Radieschen sind wahrlich prächtig geworden. Judit Pfenning, wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts für Kulturpflanzenwissenschaften an der Uni Hohenheim, ist stolz darauf, was aus ihren Setzlingen geworden ist. Dabei ist die Erde, in die sie gepflanzt worden sind, ursprünglich alles andere als vielversprechend gewesen. „Bis wir den Boden mit Biokohlepartikeln behandelt haben, war er außerordentlich schlecht“, sagt die Gemüse-Expertin. Ein Bild des Ergebnisses der gleichen Saat bei unbehandelter Erde selber Herkunft zeigt: Diese Radieschen sind ein Witz und als solche kaum zu erkennen.

 

Pfenning unterstützt mit ihrer Expertise ein Projekt eines kleinen Nürtinger Gutachterbüros, das sich mit Themen wie Grundwasser und Landwirtschaft beschäftigt, und ein Start-up-Unternehmens aus Leonberg; dieses Projekt wandelt auf den Pfaden der Indianer, um nichts Geringeres zu erreichen, als die Landwirtschaft zu revolutionieren.

Indianer haben Erde fruchtbar gemacht

Klingt nach einer verrückten Geschichte – aber die Zielsetzung ist schnell erklärt. „Wir wollen ziemlich unfruchtbare Böden besser machen“, sagt Wolf-Anno Bischoff, der Geschäftsführer des Gutachterbüros Terraquat, der gleichzeitig einen Lehrauftrag an der Uni Hohenheim hat. Mit den Indianern hat das insofern zu tun, als dass die Welt der Wissenschaft – genauer gesagt,die Universität Bayreuth – vor zehn Jahren im Amazonasgebiet eine merkwürdige Entdeckung gemacht hatte.

Unter dem Schlagwort „Terra preta“ macht die außerordentlich fruchtbare Erde, die dort gefunden wurde und auf der der Dschungel geradezu wucherte, seitdem unter Geo-Ökologen wie Bischoff die Runde. Schnell wurde klar, dass die ungewöhnlichen Eigenschaften der guten Böden, die direkt an völlig unfruchtbare angrenzen, nicht natürlichen Ursprungs sein können.

„Die Indianer haben dort ihre Bioabfälle weggeworfen und – wohl eher zufällig – mithilfe der klimatischen Effekte Biokohle produziert“, sagt Bischoff. Im Fachjargon heißt die Verwandlung von Biomüll zu Biokohle hydrothermale Carbonisierung. Warum das gut für die Fruchtbarkeit eines Bodens ist, erklärt Bischoff so: „Es geht darum, dass mehr Nährstoffe gespeichert werden können. Durch die Kohlestückchen erhält Erde eine 3D-Struktur, die mehr Oberflächen bietet und mehr Speicherpotenzial hat – ähnlich einer ,Wollknäuelstruktur.‘“ Oder einfacher erklärt: Der Humus, der beste Bestandteil des Bodens, werde vergrößert.

Den Humus vergrößern

Diese Qualitätsverbesserung, die sich am Amazonas vermutlich ungewollt ereignet hatte, soll jetzt industriell betrieben werden. Hier kommt das Leonberger Start-up-Unternehmen Smart Carbon ins Spiel, das eine Vergärungsanlage betreibt. Auch das Gründertrio mutmaßte hinter dem Begriff „Terra preta“ offenbar eine Goldgrube und spezialisierte sich auf die Produktion des Rohstoffs Biokohle, während Bischoff und seine Firma Terraquat mögliche Anwendungsgebiete in der Landwirtschaft testen.

Eben wie bei Pfennings Radieschen, bei denen die Biokohlestückchen die Erwartungen der Wissenschaftler sogar noch übertroffen haben. Aber auch bei Spinat, Salat und in anderen Gemüsebeeten erzielte die behandelte Erde gute Ergebnisse, so die Agrarbiologin. „Doppelt so viel Wachstum wie bei den Radieschen hatten wir aber nirgends“, sagt sie. Seit 2010 laufen die Tests der Projektpartner, und es gibt genug Ergebnisse, um an die Markteinführung der vermeintlichen Supererde zu denken.

„Mühlen mahlen langsam“

Um eine Zulassung für größere Felder zu erhalten, muss der Fachbeirat des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BME) allerdings noch grünes Licht geben. Das Produkt muss alle Kriterien der Düngermittelverordnung erfüllen werden. Das ist aber offenbar keine Hürde. „Die Schadstoffwerte unseres Produkts sind weit unter denen der meisten zugelassenen Produkte“, sagt Bischoff. Dennoch könne es noch ein Jahr dauern, bis der letzte Stempel gemacht ist. „Die Mühlen in Bundesministerien mahlen langsam.“

Für die Filderfelder ist die mit Biokohlen behandelte Erde im großen Stil allerdings nicht unbedingt geeignet. „Die Erde hier ist bereits so schon so fruchtbar, dass das nicht viel bringen würde“, sagt Bischoff. Der Effekt sei bei unfruchtbarer Erde deutlich größer. Also werden die Felder hier zumindest nicht im großen Stil mit Biokohle behandelt. Die meisten unfruchtbaren Böden in Deutschland, so Bischoff, gibt es übrigens in Brandenburg.