Ein Dutzend Bauern in Baden-Württemberg lässt männliche Küken am Leben und vermarktet Zweinutzungshühner.

Stuttgart - Eierbauer Christoph Hönig aus Stockach am Bodensee stellt eine Preisfrage, um den Unterschied zu zeigen zwischen einem auf dicken Fleischansatz gezüchteten Masthuhn oder Masthahn zu dem einer auf die Eierproduktion spezialisierten, schlanken Legehenne. Also, ein Masthähnchen komme in 32 Tagen gut gefüttert auf 1,6 Kilogramm Lebendgewicht. Auf wie viel komme in dieser Zeit wohl ein ebenso gut gefüttertes Hähnchen aus einer Legehennenfamilie?

 

Der unkundige Verbraucher rät drauf los: 800 Gramm? „Weit gefehlt, nur auf 380 Gramm!“, sagt Bauer Hönig und freut sich über das Staunen des Gegenübers. Ein männliches Hähnchen aus einer Legehennenfamilie sei somit viel zu teuer und auf normalem Weg praktisch unverkäuflich. Die von Hönig mitbegründete Initiative Die Eierhöfe – ein Verein von 40 Bauernhöfen im Südwesten – hat trotzdem eine Möglichkeit gefunden, männliche Küken zu mästen. Noch nicht alle, aber ein Dutzend der Vereinsmitglieder zieht unter dem Motto „Huhn und Hahn Initiative“ männliche Küken groß. Die Betriebe vermarkten sie unter den Gestehungskosten, subventionieren aber den Verlust mit einem Zuschlag von drei Cent auf jedes Ei, das die Schwestern der Hähnchen legen. Ein innerbetrieblicher Verlustausgleich sozusagen. Schon 120 000 Bruderhähne – schlank und drahtig – habe man großgezogen, sagt Hönig. Die beteiligten Erzeuger setzen mit der Hühnerrasse Sandy auf ein sogenanntes Zweinutzungshuhn, das beides kann: Eier legen und Fleisch ansetzen, ein ökonomischer Kompromiss, mit dem aber keine Rekorde zu erzielen sind.

Die Landwirtschaft soll transparenter werden

In Hofläden, auf Wochenmärkten und in gehobenen Supermärkten, so Hönig, verkaufe man die zugunsten des Tierwohls verteuerten Eier. Lokale Ableger von Edeka, Rewe und Kaufland gehörten zu den Abnehmern und werben für die Eier mit dem rot-weißen Label „Huhn und Hahn“. Seine Initiative sei aus einem Kreis von Jungbauern hervorgegangen, sagt Hönig, das Ziel sei, „die bäuerliche Landwirtschaft in Baden-Württemberg zu erhalten“. Mit gläsernen Bauernhöfen am Bodensee, in Balingen und Offenburg wolle man Landwirtschaft transparent machen.

Als Geflügelland gilt Baden-Württemberg übrigens nicht, es hat nur 200 Betriebe, die mehr als 3000 Hühner halten, über Kleinbauern, die weniger als 3000 Tieren haben, liegt keine Statistik vor. Die Zahl der Legehennen im Südwesten liegt bei 2,1 Millionen – eine überschaubare Größe, Niedersachsen etwa hat 15,4 Millionen. Die geringen Produktionszahlen passen gut zum regionalen Vermarktungskonzept, auf das das Agrarministerium in Stuttgart mit Qualitäts- und Biozeichen setzt. Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) begrüßt das Angebot von „Huhn und Hahn“: „Verbraucher haben damit die Chance, mit dem Einkauf der Eier und der Produkte aus der Aufzucht der sogenannten Bruderhähne aktiv etwas für den Tierschutz zu tun.“ Ähnliche Strategien in Baden-Württemberg seien dem Ministerium nicht bekannt.

Egal wie das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ausfallen wird, das Töten von Küken wird sicher eines Tages beendet, wenn technische Alternativen für eine Geschlechtsbestimmung im Ei marktreif sind. Ein Ende des Geschäftsmodells von „Huhn und Hahn“ sieht Hönig damit nicht: Erstens werde die Fehlerquote bei der Eierdurchleuchtung noch hoch sein – „da werden trotzdem Hähne schlüpfen“. Zweitens wollten viele Kunden jetzt einen ganzheitlichen Ansatz in der Tierhaltung: „Es gibt einen Markt für das Zweinutzungshuhn.“