Am Wochenende hat sich die Weltelite im Pflügen bei Tübingen getroffen und ihre Meister gekürt. Auch die Starter aus Übersee verschiffen Pflug und Traktor, um auf das eigene Material setzen zu können.

Stadtentwicklung/Infrastruktur : Christian Milankovic (mil)

Kirchentellinsfurt - Dass Anfang September Traktoren über die abgeernteten Felder zuckeln und einen Pflug hinter sich herziehen, ist so ungewöhnlich nicht. Dass aber am Ackerrand Flaggen aus aller Herren Länder im spätsommerlichen Wind flattern und die Traktoren denkbar langsam die Ackerkrume aufbrechen, die Fahrer alle paar Meter anhalten, absteigen und ihr Werk aus der Nähe begutachten, macht die Szenerie bemerkenswert. Willkommen bei der Weltpflügermeisterschaft. Auf dem Hofgut Einsiedel bei Kirchentellinsfurt (Kreis Tübingen) hat sich am Wochenende die Elite der Sportpflüger getroffen, um ihre Besten zu küren. Der Wettbewerb ist die 65. Auflage dieser jährlich ausgetragenen Weltspiele der Furchenexperten. Zum vierten Mal ist Deutschland Gastgeber.

 

Die ganze Familie packt mit an

Theresia und Leopold Aichberger aus Haag in Niederösterreich schlendern über den Stoppelacker. Links und rechts der breiten Gasse stehen hinter Absperrbändern die schweren Arbeitsgeräte. Eines davon steuert ihr 20-jähriger Sohn, ebenfalls Leopold. Daheim haben sie einen Bio-Betrieb, aber nun sind sie im Wettbewerbsfieber. Seit fünf Jahren tritt der Filius bei Pflügermeisterschaften an. Im vergangenen Jahr schlug er alle heimischen Konkurrenten aus dem Feld und wurde österreichischer Meister. Damit hatte er das Ticket für die Weltmeisterschaften in der Tasche.

Die Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft läuft im Hause Aichberger seit dem Frühjahr „richtig intensiv“, wie Mutter Theresia erzählt. Ohne Sponsoren geht wenig. Der Traktor wird vom Hersteller gestellt, und den Pflug konnten Aichbergers bei einer ehemaligen Weltmeisterin mieten. Trotzdem wird an dem Sportgerät reichlich gearbeitet. „Der Sohn ist viel in der Werkstatt“. Für den sinnvollen Einsatz abseits der Wettbewerbe ist das Gerät aber zu klein und führt allerlei Anbauten mit, die bei der Feldarbeit unnötig wären. Leopold junior durchpflügte mit ihm zur Vorbereitung nicht nur die elterlichen Anbauflächen, auch Wiesen und Äcker von Freunden und Nachbarn mussten als Trainingsterrain herhalten. Bei soviel Aufwand wundert es nicht, dass Leopold senior zum Abschied sagt: „Jetzt will man natürlich auch als Vater alles geben.“

Auch Nicht-Landwirte gehen an den Start

Alles gegeben hat auch Ian Williams aus Schottland. Trotzdem ist er nicht ganz zufrieden. „Nicht gerade genug“ sei die von ihm ins Stoppelfeld gezogene Furche, kommentiert er seine bisherigen Leistung. Der 62-Jährige ist aber nicht allzu niedergeschlagen. Als „nur“ Zweitplatzierter bei den schottischen Meisterschaften verdankt er seinen Start in Einsiedel nur der Tatsache, dass der Meister verhindert ist. Und so kommt Williams zu seinem ersten internationalen Start. Im echten Leben ist er Lastwagenfahrer. Zwar habe er früher einmal in einem landwirtschaftlichen Betrieb gearbeitet. „Nun habe ich eigentlich nicht genug Zeit für das Training“, erklärt der Schotte.

Zeit zum Reden hat er, denn gerade begutachten Wettkampfrichter, wie er den ersten Teil seiner Aufgabe erledigt hat. Die besteht darin, zunächst eine einzelne Furche in die ihm zugewiesene 20 mal 100 Meter große Wettbewerbsfläche zu ziehen. Und dann schlägt die Stunde der Juroren. Jede der 29 teilnehmenden Nationen auf dem Einsiedel stellt einen Wertungsrichter ab. „Wir schauen, ob die Furche gerade ist, wie die sogenannte Dammlage ist und ob die Furche die erlaubte Tiefe zwischen 16 und 20 Zentimeter aufweist“, erklärt Andreas Deisting, der deutsche Wertungsrichter. Haben die alle Einzelfurchen in Augenschein genommen und Punkte in 13 Kriterien vergeben, springt die Startampel wieder auf grün, und den Sportlern bleiben zwei Stunden und 40 Minuten, den Rest ihrer 2000 Quadratmeter großen Flächen zu pflügen. Hektik ist also nicht vonnöten.

Großes Zuschauerinteresse

Eine ruhige Hand hilft dagegen schon weiter, wenn man den Traktor auf dem holprigen Terrain auf Kurs halten will. Die hat Hailey Gruber aus den USA. Sie ist eine von vier Frauen im Startfeld und gerade einmal 16 Jahre alt. „Sie ist über unseren Vater zum Pflügen gekommen“, erzählt ihre Schwester Kaitlyn. Zwei Monate hat der Transport des Sportgeräts aus Übersee an den Rand des Schönbuchs gedauert. Soviel Engagement stößt auf reges Interesse. Mit Zwischen 20 000 und 30 000 Besuchern kalkuliert man im Organisationsbüro. Veranstalter ist das Kuratorium Wettpflüger 2018 mit Sitz in Langenau bei Ulm.

Auch die Starter aus Australien und Neuseeland setzen auf ihr heimisches Arbeitsgerät – auch wenn das für viele eine Weltreise bedeutet. Hailey Gruber könnte es im kommenden Jahr näher haben: Dann trifft sich die Pflügerelite in den USA zur Weltmeisterschaft.