Verkehrsminister Dobrindt will die umstrittenen 25-Meter-Lkw auf Dauer zulassen. Drei von fünf Fahrzeugtypen mit Überlänge werden die unbefristete Fahrerlaubnis erhalten – obwohl drei Viertel der Bürger laut entsprechenden Umfragen die XXL-Trucks ablehnen.

Korrespondenten: Thomas Wüpper (wüp)

Berlin - Die Große-Vehne Transporte + Speditions GmbH Stuttgart schmiedet große Pläne. Anfang 2017 will das Unternehmen, das mit rund 900 Lastwagen viele Zulieferungen für Autokonzerne wie Daimler und Porsche abwickelt, auf einen Schlag 65 neue Sattelzüge mit Überlänge kaufen und dafür rund zehn Millionen Euro investieren. Der Grund: Bis zu 25,25 Meter lange Laster dürfen auch nach dem Auslaufen der bisherigen Testbetriebe zum Jahresende weiter auf deutschen Straßen rollen, wie Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) unlängst auf einem Logistikkongress ankündigte.

 

„Das schafft für uns die nötige Investitionssicherheit“, freut sich Inhaber Rene Große-Vehne. Sein Unternehmen fährt allein im Großraum Stuttgart im Rahmen eines speziellen, seit 2006 laufenden Großversuchs 45 Sattelzüge mit 17,80 Meter Länge. Das ermöglicht den Transport von zwei 7,45 Meter langen Standardcontainern und damit mehr Effizienz. Bisher sind für Sattelzüge im Regelbetrieb höchstens 16,50 Meter erlaubt, früher waren es 15 Meter.

Da aber immer mehr Fracht auf den überlasteten Straßen rollt, wachsen seit Jahrzehnten auch die Lkw-Dimensionen. Seit knapp fünf Jahren dürfen im Rahmen eines „Feldversuchs“ sogar bis zu 25,25 Meter lange Laster auf ausgewählten 11 600 km Autobahnen, Bundesstraßen und Zubringern fahren. Generell zulässig sind bisher höchstens 18,75 Meter. Die XXL-Laster, von denen bisher nur 159 Stück für 60 Unternehmen unterwegs sind, dürfen also um mehr als ein Drittel länger sein.

Spediteure hielten sich bislang zurück mit Investitionen

Spediteure wie Große-Vehne hielten sich bisher mit Investitionen zurück, weil lange nicht sicher schien, ob die Lang-Lkw eine dauerhafte Zulassung bekommen. Schon der „Feldversuch“, den die CDU-geführte Bundesregierung gegen massiven Widerstand durchsetzte, war heftig umstritten. Und rund drei Viertel der Bundesbürger lehnen laut entsprechenden Umfragen weiterhin die XXL-Trucks ab. Befürchtet werden höhere Unfallrisiken, ein teurer Umbau der Infrastruktur und noch mehr umweltschädliche Frachttransporte, weil die Bahn mit den Transportpreisen der Lang-Lkw nicht mithalten kann.

Verkehrsminister Dobrindt will zur Freude der Wirtschafts- und Transportlobby dennoch den Regelbetrieb durchsetzen und sogar grenzüberschreitende Fahrten ermöglichen. Für den CSU-Mann steht schon vor Ende des Tests fest: „Der Lang-Lkw ist praxistauglich. Er ist sicher, spart Sprit und führt weder zu Verlagerung von Verkehren auf die Straße noch zu einer stärkeren Belastung unserer Infrastruktur.“ Zwei Lang-Lkw könnten drei herkömmliche Lkw ersetzen, so Dobrindt. Und weniger Fahrzeuge bedeuteten auch weniger Emissionen.

Kritiker sehen im Regelbetrieb eine Katastrophe für den Klimaschutz

Kritiker sehen im Regelbetrieb und den Plänen der Regierung dagegen eine Katastrophe für den Klimaschutz. Mit den XXL-Lastern werde Lkw-Transport noch billiger und so noch mehr Fracht über die Straßen statt die Schienen rollen, warnt die Allianz pro Schiene, ein Bündnis zahlreicher Umwelt- und Verkehrsverbände. „Der Verkehrswende erweist Herr Dobrindt damit einen Bärendienst“, kritisiert Bündnischef Dirk Flege.

Die Allianz pro Schiene argumentiert, dass es schon ausreichend Erkenntnisse gebe, die gegen die Lang-Lkw sprächen. So sei zu befürchten, dass die XXL-Laster den Transport auf der Straße um 30 Prozent verbilligten. Das Fraunhofer-Institut prognostiziert in einer Studie deshalb 35 Prozent weniger Verkehr auf der Schiene bei Einzelwagen und fast ein Achtel weniger im Kombinierten Verkehr. Das könnte das Aus für noch mehr Verladestellen und Angebote bedeuten. Dobrindt verweist dagegen auf Testergebnisse seiner nachgeordneten Behörde, der Bundesanstalt für Straßenwesen (BaSt). Demnach bringen Lang-Lkw Effizienzgewinne und Kraftstoffersparnisse bis 25 Prozent. Zudem gebe es weder erhöhten Erhaltungsaufwand für die Infrastruktur noch Verlagerungseffekte von der Schiene auf die Straße.

Der Abschlussbericht der Behörde bestätige die positiven Zwischenergebnisse und soll „noch in diesem Jahr“ veröffentlicht werden, verspricht das Ministerium. Bis Jahresende soll auch die Verordnung zum Regelbetrieb vorliegen. In der Transportbranche sind die Lang-Lkw nicht unumstritten. Die Umstellung auf 25-Meter-Laster erfordert sehr hohe Investitionen, kleinere Spediteure können sich das kaum leisten und drohen im verschärften Preiskampf unter die Räder zu geraten. Manchen Unternehmern hätte daher die dauerhafte Zulassung der auf 17,80 Meter verlängerten Sattelzüge vollauf genügt, die im Straßenbild viel weniger auffallen als die XXL-Trucks und dennoch einen Effizienzschub bringen.

Stuttgarter Spediteur Große-Vehne setzt auf Lang-Lkw

Spediteur Große-Vehne setzt weiter auf diesen Fahrzeugtyp und baut nun die Flotte der verlängerten Sattelzüge aus. Bundesweit dürfen bereits seit 2006 rund 300 Fahrzeuge mehrerer Spediteure testweise fahren, dieser Versuch soll nun sieben Jahre verlängert werden . Seine 45 Lang-Schlepper ersetzen nach seiner Rechnung 50 herkömmliche Sattelzüge, dadurch werden auch fünf Fahrer weniger gebraucht. Zudem sinke der CO2-Schadstoffausstoß um fast ein Zehntel.

Zu Lasten der Bahn, sagt der Unternehmer, gehe der Ausbau seiner Lkw-Flotte nicht. „Wir würden gerne mehr auf der Schiene transportieren“, betont Große-Vehne, „doch die Bahn kann uns nicht genügend Züge stellen“. Es fehle dort schlicht an Angeboten und Kapazitäten für die benötigten Verbindungen.

Als Lang-Lkw gelten fünf unterschiedliche Fahrzeugtypen

Typ 1 bezeichnet eine Sattelzugmaschine mit einem sehr langen Sattelauflieger und bis zu 17,80 Metern Gesamtlänge (1,30 Meter mehr als erlaubt). Der schon 2006 begonnene Großversuch mit diesen fünfachsigen Fahrzeugen wird um nochmals sieben Jahre verlängert. Auch die Spedition Große-Vehne nutzt diese Lang-Lkw.

Typ 2 besteht aus einer Zugmaschine, einem langen Sattelauflieger und einem kürzeren Zentralachsanhänger. Gesamtlänge bis 25,25 Meter, also 6,50 Meter mehr als bisher erlaubt. Für diese in den USA beliebte Kombination mit sieben Achsen wird der Versuch um ein Jahr verlängert. Auch hier will das Ministerium noch keine unbefristete Genehmigung erteilen.

Typ 3 bezeichnet einen klassischen Lkw mit Untersetzachse und Sattelanhänger bis 25,25 Meter Gesamtlänge. Diese achtachsige Kombination soll künftig unbefristet auf dem zugelassenen Streckennetz fahren.

Typ 4 ist eine Zugmaschine mit zwei Sattelanhängern, Gesamtlänge bis 25,25 Meter. Auch für diese achtachsige Variante ist der unbefristete Regelbetrieb vorgesehen.

Typ 5 bezeichnet einen dreiachsigen Lkw mit einem zweiachsigen langen Anhänger, zulässige Länge bis 24 Meter. Auch hier soll die Befristung aufgehoben werden.

Begonnen hat der Versuch 2012

Der Feldversuch Lang-Lkw hat im Januar 2012 mit 21 Unternehmen begonnen. Rechtliche Grundlage ist eine Ausnahme-Verordnung, die bis zum 31. Dezember 2016 befristet ist und auf geeigneten Strecken den Betrieb erlaubt. Zunächst lehnten SPD-regierte Länder die Teilnahme ab, mit den Grünen erhob die SPD sogar Verfassungsklage gegen den Versuch, allerdings erfolglos.

Inzwischen beteiligen sich 13 Bundesländer und 60 Unternehmen mit 159 Lang-Lkw an dem Test, auch Rheinland-Pfalz will den Widerstand aufgeben. Nur in Berlin und dem Saarland haben damit die Lang-Lkw künftig noch Fahrverbot. Das zugelassene Netz umfasst mittlerweile fast 11 600 Kilometer.

Die Gewichtsbeschränkungen für Lkw sollen unverändert bleiben. Auch Lang-Lkw dürfen 40 Tonnen Gewicht nicht überschreiten, im Kombinierten Ladeverkehr mit Bahntransporten sind 44 Tonnen zulässig.