Nach knapp 40 Jahren ist das Fellbacher Rathaus beim Brandschutz nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Vor allem in der Tiefgarage und beim Archiv besteht Handlungsbedarf.
Es gehört zu den prägnantesten modernen Gebäuden in Fellbach (Rems-Murr-Kreis): Dass es sich beim vom Schweizer Architekten Ernst Gisel konzipierten neuen Rathaus um ein vor allem in der Architektenzunft hochgeschätztes Bauwerk handelt, hat sich schon mehrfach gezeigt. Am Samstag, 4. Oktober 1986, vollzog der damalige Oberbürgermeister Friedrich-Wilhelm Kiel vor unfassbaren 3000 Besuchern (unter ihnen Kiels Stuttgarter Amtskollege Manfred Rommel) den Eröffnungsakt.
1987 erhielt der Bau den deutschen Architekturpreis, 1988 folgte der renommierte Hugo-Häring-Preis. Anfang Juni 2014 wiederum wurde das Rathaus zum Kulturdenkmal erhoben und steht seitdem unter Denkmalschutz. „Es ist ein ziemlich perfektes Stück Architektur“, sagte Martin Hahn vom Landesamt für Denkmalpflege beim damaligen Festakt. Der Stuttgarter Architekturkritiker Christian Marquardt schwärmte: „Die Stadt Fellbach hat einen Coup gelandet, indem sie den Züricher Architekten Ernst Gisel ihr neues Rathaus bauen ließ.“
Rathaus erinnert an eine Burganlage
Neben Gisel durfte sich übrigens noch ein Schweizer in jenem Areal verewigen, und zwar im Rathausinnenhof der Bildhauer Otto Müller mit seiner Kopf-Plastik „Der Mensch“. Eine weitere Besonderheit, ja eine Rarität, ist das Rathausglockenspiel aus Meißner Porzellan, ein Geschenk der Fellbacher Partnerstadt in Sachsen.
Im 2019 erschienen Architekturführer Stuttgart wird das Behördenzentrum in der „neuen Stadtmitte“ ebenfalls erwähnt. Gisels Entwurf „erinnert mitunter an eine Burganlage“, heißt es in der Beschreibung der Autorinnen, der beiden studierten Architektinnen Uta Lambrette und Birgit Schmolke. Und: „Durch Ernst Gisels Baukörper wurde eine nach dem Weltkrieg nicht mehr bestehende Stadtstruktur neu gebildet. Der Kontext wurde interpretiert und weitergedacht.“
Doch auch wenn sich rein äußerlich kaum etwas geändert hat – der Brandschutz genügt mittlerweile nicht mehr den Anforderungen. Zwar gab es in den vergangenen Jahren immer mal wieder Begehungen samt Vorschlägen zur „brandschutztechnischen Ertüchtigung“, so Ellen Sturm vom Amt für Hochbau und Gebäudemanagement in ihren schriftlichen Erläuterungen. Allerdings: „Eine gesamtheitliche Betrachtung fand bisher nicht statt.“
Dieser komplette Überblick erfolgte nun in den vergangenen Monaten mit dem bis Ende Mai 2025 ausgearbeiteten Brandschutzkonzept, das die Baubürgermeisterin Beatrice Soltys jetzt im Gemeinderat vorstellte.
Als vordringlich stuft das Konzept Verbesserungen für das zweite Untergeschoss ein. Zur dortigen Tiefgarage wurde festgestellt, dass es eine „konkrete Gefahr für die Einsatzkräfte der Feuerwehr aufgrund nicht vorhandener Rauchfrüherkennung und der fehlenden Rauchgasabzugsöffnungen“ besteht.
Beim ebenfalls im zweiten Untergeschoss befindlichen Archiv beziehungsweise beim Lager wurden „erhebliche Brandlasten“ sowie „lange Rettungswege“ konstatiert.
Zu den nötigen Brandschutzmaßnahmen fürs gesamte Rathaus gehören zum Beispiel eine flächendeckende akustische Alarmierungsanlage, die Abschaltung aller Lüftungsanlagen im Brandfall, diverse Sicherheitsschleusen und neue Brandschutztüren, automatische Brandmelder und Löschwasserleitungen. Dies alles sind nach Soltys’ Angaben „keine Wunsch-, sondern Muss-Maßnahmen“.
Seine 40 Jahre sehe man dem Fellbacher Rathaus mit seiner „baulichen Einzigartigkeit“ von außen nicht an, konstatierte Birgit Berg (SPD) in der Debatte, „doch das macht die Aufgabe nicht einfach“.
Sara Schmalzried (Grüne) gestand: „Ehrlich gesagt bin ich schon ziemlich erschrocken wegen der vielen Mängel und Risiken im Hinblick auf den Brandschutz hier im gesamten Rathauskomplex.“ Die Brandschutzuntersuchung haben diverse Missstände offenbart: „Fehlende Rauch- und Wärmeabzugsöffnungen, lange Rettungswege, eine fehlende generelle Alarmierung für alle im Rathaus Anwesenden, fehlende Brandschutztüren und ungesicherte Brandlasten im Archiv.“
Es bestünden Gefahren für „Verwaltung, Gäste und Ehrenamtliche“. Schmalzrieds Forderung: „Wo es heute keine sicheren Fluchtwege gibt, müssen wir sie dringend herstellen.“ Der Brandschutz der 1980er Jahre im Rathaus müsse unbedingt der heutigen Zeit angepasst werden.
Der verbesserte Brandschutz wird in zwei Bauabschnitten umgesetzt
Angesichts der dürftigen Finanzlage soll die Umsetzung des Brandschutzes in zwei Bauabschnitten umgesetzt werden, der erste mit den dringlichsten Aktivitäten in den aktuellen zwei Jahren, der zweite dann als mittelfristige Perspektive in drei bis fünf Jahren.
Auf welche Gesamtsumme an Kosten es letztlich hinausläuft, lässt sich aktuell noch nicht genau vorhersagen. Soltys’ zurückhaltende Prognose: „Wir werden in der Summe so bei vier Millionen Euro landen“.